Manchmal können einen ein paar alte Filmschätzchen doch noch wirklich positiv überraschen können. Entweder, weil man sie vorher gar nicht auf dem Radar hatte oder weil man sie vielleicht 20 Jahre vorher schon einmal gesehen hat und bei der ersten Sichtung nicht übermäßig beeindruckt war. Ein solcher Fall trifft zu auf den hier vorliegenden, wunderbar „altmodischen“ Abenteuerfilm
YUKON
der im Original als "DEATH HUNT" bekannt ist. Ein späterer Titel, unter dem der Film in Deutschland vermarktet wurde, war der unpassende und überzogen reißerische „EIN MANN WIRD ZUR BESTIE“. Im Film kommt es zu einer Konfrontation zwischen zwei der härtesten Typen, die das amerikanische Kino der 60er und 70er Jahre kannte, Charles Bronson und Lee Marvin. Ich nannte den Film gerade noch einen „Abenteuerfilm“, was aber eigentlich nicht ganz zutreffend ist. Die Story spielt zwar 1931, es gibt erste Funkgeräte und sogar einen Doppeldecker, aber im Grunde handelt es sich bei „Death Hunt“ von der Machart, der Thematik und den Figuren her viel eher um einen Western, genauer gesagt einen Spätwestern, wie er vielleicht auch von Sam Peckinpah hätte gedreht werden können (Wenn ich es recht überlege, wäre „Death Hunt“ ein ideales Projekt für den guten alten Sam gewesen, vorausgesetzt er hätte zu dieser Zeit leider nicht schon aus dem letzten Loch gepfiffen).
Wir befinden uns hoch im Norden im Gebiet des Yukon, 1931. Die große Zeit des Goldrauschs ist vorbei, trotzdem gibt es noch eine Menge Glücksjäger, Trapper und andere die versuchen hier oben ihr Glück zu finden. Einer von ihnen ist der einzelgängerische Trapper Albert Johnson (Charles Bronson). Als er eines Tages einen Mann namens Hazel (Ed Lauter) beobachtet, wie dieser auf seinen Hund losgeht, da der gerade einen Hundekampf verloren hat, rettet Johnson das schwer verletzte Tier, erteilt dem Besitzer eine Lektion und zahlt ihm die 200 Dollar, die der Hund angeblich gekostet hat. Dummerweise behauptet Hazel hinterher, Johnson hätte ihm den Hund gestohlen. Doch der Chef der örtlichen Royal Canadian Mounted Police (genau, die sog. „Mounties“), der kommandierende Sergeant und abgebrühte Veteran Edgar Millen (Lee Marvin) ist wenig geneigt, der Anzeige nachzugehen, da er Hazel und seine Kumpane sehr genau kennt und sich denken kann, was wirklich passiert ist. Da ihnen die Polizei nicht hilft, beschließen Hazel und Konsorten, Johnson in seiner Hütte „aufzusuchen“ und sich den Hund zurückzuholen. Bei der Schießerei wird einer der Männer getötet. Nun ist Millen dazu genötigt einzugreifen. Johnson igelt sich indessen in seinem halbvergrabenen Haus ein. Aus dieser Situation entwickelt sich eine großangelegte Belagerung, bei der Johnson nicht nur von den Mounties, sondern auch von Hazel und seinen schießfreudigen Kumpels unter Beschuss genommen wird. Als Johnson ihnen schließlich wieder ein Schnippchen schlägt und entkommt, beginnt eine dramatische Menschenjagd quer durch die verschneite Wildnis, an der sich nicht nur die Polizei, sondern auch Zivilisten und Kopfgeldjäger beteiligen. Hazel und seine Männer streuen das Gerücht, Johnson wäre der „Mad Trapper“ ein geheimnisvoller, fast schon mythischer Serienmörder, der Trapper ermordet und ihnen das Gold aus den Zähnen stiehlt. Daraufhin setzt eine Zeitung 1000 $ Kopfgeld auf Johnson aus. Inzwischen erfährt Millen, dass das Opfer nicht nur ein mit allen Wassern gewaschener Trapper, sondern ein kampferprobter Kriegsveteran ist, der bereits für den Geheimdienst arbeitete. Und Johnson hat (wortwörtlich) sein Pulver noch lange nicht verschossen...
„Yukon“ ist ein spannender, dramatischer und mit fantastischen Bildern versehener Spät-Western. Wie viele ähnliche Werke dieses Genres, erzählt auch „Yukon“ vom Ende einer Epoche. Die „Frontier“ ist erschlossen, die letzten Büffel erlegt, die einstigen Pioniere zählen allmählich zum alten Eisen und die persönliche Freiheit wird mehr und mehr eingeschränkt. Unaufhaltsam hält die Zivilisation Einzug, im Film verkörpert durch einen arroganten Luftwaffen-Offizier in seinem Doppeldecker und den jungen, geschniegelten Beamten Alvin (Andrew Stevens), der Millen neu unterstellt wurde. Millen ist ein desillusionierter Mann, der seinen Frust in Alkohol ertränkt, und seine Zeit lieber beim Kartenspiel mit seinem Kollegen und Kumpel „Sundog“ (Carl Weathers) verbringt. Auch Johnson versucht der fortschreitenden Modernisierung aus dem weg zu gehen, indem er sich in die Einsamkeit der Wälder zurückzieht. Beide Männer sind sich also ziemlich ähnlich. Auch werden beide durch äußere Faktoren, auf die sie keinen Einfluss haben, in einen tödlichen Konflikt gedrängt, den sie beide nicht wollen und dem sie sich trotzdem nicht entziehen können.
Dramaturgisch lässt sich der Film relativ simpel in drei gleichgroße Abschnitte einteilen. Das erste Drittel ist die Exposition, in der relativ ruhig die verschieden Charaktere vorgestellt werden und in der geschildert wird wie sich die Ereignisse langsam hochschaukeln ( Also nicht verzweifeln, wenn im Film nicht gleich nach 5 Minuten die erste Schießerei stattfindet) , das mittlere Drittel behandelt die actionreiche Belagerung von Johnson (bei der auch das Gewalt-Level des Films ansteigt). Im letzten Drittel steht dann die Menschenjagd im Mittelpunkt, bei der zusätzlich durch die Figur des „Mad Trappers“ einige Thriller-Elemente mit einfließen. Das erhöht zwar ein wenig den Spannungsanteil, die letztendliche Auflösung ist dann aber nicht ganz so gut gelungen. Im letzten Drittel hat der Film dann auch seine stärksten Momente, insbesondere die Aufnahmen der schroffen, verschneiten und ursprünglichen Natur beeindrucken.
Man kann auch ein paar durchaus interessante Parallelen ziehen zwischen „Yukon“ und einem Klassiker des modernen Action-Kinos, dem ein Jahr später erschienenen „Rambo“ („First Blood“ 1982) von Ted Kotcheff. In beiden Fällen gerät ein Einzelgänger durch eine Lappalie ins Visier der Staatsmacht und eine Bagatellangelegenheit eskaliert zu einer Konfrontation auf Leben und Tod. In beiden Filmen müssen die Verfolger feststellen, dass ihr „Opfer“ ein im Überlebenskampf geschulter Kriegsveteran ist. Es gibt in „Yukon“ sogar fast dieselbe Szene wie in „Rambo“ als Johnson, verfolgt von einem Flugzeug, an einer Klippe in eine Sackgasse gerät und gezwungen ist, sich durch einen halsbrecherischen Sprung in einige etwas entfernte Tannen zu retten.
Einen Großteil seines Reizes zieht „Yukon“ natürlich aus dem Zusammenprall der beiden Kino-Ikonen Lee Marvin und Charles Bronson. Beide berühmt geworden mit Rollen, in denen sie hartgesottene Typen spielten, die nicht viel Federlesens veranstalteten und mit ihren Gegnern kurzen Prozess machten. Bereits 1967 trafen die beiden in „Das dreckige Dutzend“ aufeinander, kämpften dort aber noch auf derselben Seite. Für die Besetzung ihrer Parts in „Yukon“ hätte man keine besseren Leute finden können. Beiden nimmt man ohne zu zögern den „harten Hund“ ab, der sie ja auch im wahren Leben waren. Bronson arbeitete mit 16 Jahren im Kohlebergwerk, war im 2. Weltkrieg Bordschütze in einer B-29 und wurde mit dem „Purple Heart“ ausgezeichnet. Der ebenfalls mit dem „Purple Heart“ ausgezeichnete Lee Marvin kämpfte bei den Marines im Pazifik, wo er so schwer verletzt wurde, dass er ein Jahr nicht laufen konnte. Später sagte er einmal, das Schauspielen hätte er bei den Marines gelernt – man war halt dazu gezwungen bei den Schlachten furchtloser zu erscheinen als man tatsächlich war. Kein Wunder also, dass sie den erfahrenen Mountie, bzw., den harten Trapper so überzeugend verkörpern. Und wie auch ihre Filmfiguren hatten auch Marvin und Bronson den Zenit ihrer Karriere bereits überschritten, waren also prädestiniert dafür die desillusionierten, etwas müden Männer zu verkörpern, die langsam an das Ende ihres Weges kamen. Bronson drehte danach zwar noch diverse „Ein Mann sieht rot“(1974)-Klone, verhehlen, dass seine beste Zeit vorbei war, konnte aber auch er nicht. Nichstdestotrotz laufen beide Veteranen hier zu Höchstform auf und können den Jüngeren jederzeit zeigen, wo der Frosch die Locken hat
Regie bei diesem Film hatte der Brite Peter Hunt, der ursprünglich vom Filmschnitt kam. Hunt war u.a. der Editor (bzw. der beaufsichtigende Editor) der James Bond-Filme von „James Bond jagt Dr. No“ (1962) bis „Man lebt nur zweimal“(1967). Sein erster eigener Film als Regisseur wurde dann auch gleich einer der besten Bondfilme überhaupt, der lange unterschätzte „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (1969). In der Folgezeit drehte er u.a. die beiden Abenteuer-Filme mit Roger Moore „Gold“ (1974) und „Brüll den Teufel an“ (1976, ebenfalls mit Lee Marvin), sowie „Wildgänse II“ (1985) und das schwache Charles Bronson-Vehikel „Der Mordanschlag“(1987). Hunts Gespür für den dramatischen Aufbau und die Montage von gelungenen Actionszenen rührt wahrscheinlich noch von seiner Zeit als Film-Editor her. In „Yukon“ hält er, trotz einem relativ ruhigen Anfang, sehr gut die Waage zwischen visuell ausgefeilten, aufregenden Sequenzen und ruhigeren Momenten.
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht, wobei sich die Filmemacher jedoch große Freiheiten genommen haben. Es gab tatsächlich den Trapper Albert Johnson, auf den 1931 eine aufwendige Menschenjagd veranstaltet wurde, die sich über 240 Kilometer Fußmarsch hinzog. Unter den verfolgenden Mounties war auch ein Constable Millen. Wie es den Anschein hat, war der gejagte Johnson tatsächlich auch der „Mad Trapper of Rat River“! Für weitere Details verweise ich auf die englischsprachige Wikipedia-Seite zu „Albert Johnson (criminal)“.
Unterm Strich bleibt „Yukon“ als knackiger, harter, bildgewaltiger Spätwestern in Erinnerung, der mit zwei legendären Hauptdarstellern, dynamischen, nicht übertrieben eingesetzten Actionszenen und bildgewaltigen Aufnahmen punkten kann. Für Fans der Schauspieler, von Western oder Filmen, die den Zuschauer nicht mit einem Stakkato-Schnitt überwältigen, eine unbedingte Empfehlung.
8 von 10 Punkten
8/10