Alexandre Aja, bei diesem Namen klingeln dem geneigten Filmfreund sofort die Ohren. Als er 2003 mit seinem Werk „High Tension“ daher kam, vollbrachte er etwas Besonderes. Er revolutionierte das Horrorgenre der 2000er grundlegend. Sein Werk bestach durch eine durchdachte Handlung und einer Menge brutaler Szenen. Genau dies ist es auch, mit was man Aja in Verbindung bringt. Es dauerte nur drei Jahre bis auch Hollywood auf ihn aufmerksam wurde und ihm ein Projekt anvertraute, dass wahrlich kein leichtes Unterfangen war. „The Hills Have Eyes“ stellte sein US-Debüt dar und zeitgleich auch ein Remake des gleichnamigen Filmes von 1977. Wenn man Remake hört, dann springen viele aus ihren Löchern heraus und feuern sofort mit Gegenargumenten los, doch Aja hat es geschafft und die Zeigefreudigkeit Hollywoods sogar überdehnt. Er ging bis an die Grenzen mit seiner Arbeit und zeigte den Zuschauern, dass Remakes gut wenn nicht sogar besser als ihre Vorgänger sein können. Im Laufe der Jahre drehte Aja hier und da auch noch mal ein paar Filme wie z.B. „Piranha 3D“ oder auch „Mirrors“. Sogar als Produzent trag er auf und präsentierte den Zuschauern Werke die es seiner Meinung nach Wert sich seinen Namen zu tragen. 2013 sollte nun das Jahr sein, in dem sich Alexandre Aja wieder zu Wort meldet und dies mit der ungewöhnlichen Filmadaption der gleichnamigen Novell „Horns“ des Schriftstellers Joe Hill, Sohn von Stephen King.
„Horns“ erzählt die Geschichte von Ignatius „Ig“ Perrish, der vom äußeren her wirkt wie ein normaler junger Mann, doch der Schein trügt schnell. Als er in seiner Kindheit Merrin Williams kennen lernte, stellte sich sein Leben auf den Kopf. Hals über Kopf hat er sich in dieses bezaubernde Mädchen verliebt und es sollte zu einer wundervollen Romanze zwischen den beiden kommen. Ig war im Glück und hat seine große Liebe gefunden und dieses Glück hielt auch mehrere Jahre, doch dann geschah das unfassbare. Eines Abends wurde Merrin auf bestialische Art und Weise umgebracht. Trotzdem die Beweislage nicht vollkommen klar gestellt wurde, fiel der Verdacht sofort auf Ig zurück. Die Bewohner seiner Stadt sind sich sicher, dass Ig für den Mord an der bezaubernden Merrin verantwortlich ist. Von nun an muss sich Ig verachtenden Blicken, Beleidigungen der schlimmsten Art und Drohungen anhören. Von seiner Familie und Freunden bekommt er zwar den Rückhalt, doch das bringt ihm selbst nicht viel. Seine große Liebe ist aus seinem Leben verschwunden und so fällt Ig in einen selbstzerstörerischen Zustand. Es vergeht genau ein Jahr als Abends an der Mordstelle eine kleine Gedenkfeier zu Ehren von Merrin veranstaltet wird. Die Leute haben sich alle versammelt und trauern immer noch um ihren Verlust. Ig nimmt nur heimlich an dieser Zeremonie teil, da er ein ungesehener Gast ist. Die Nacht vergeht und schon am nächsten Morgen erkennt Ig eine gewisse Veränderung an sich. Als er in den Badezimmerspiegel schaut, erkennt er dass ihm Hörner gewachsen sind. Voller Schrecken sucht er einen Arzt auf, doch anstatt Ig zu helfen benimmt dieser sich äußerst seltsam. Er erzählt Ig seine tiefsten Geheimnisse und Obsessionen. Dieses Phänomen erkennt Ig bei allen Menschen in seiner Umgebung und diesen Vorteil nutzt er um den wahren Mörder seiner geliebten Merrin zu finden. Doch je mehr er seine Gabe einsetzt, desto mehr verliert er sich in einer Welt aus Trug und Schein wieder und läuft große Gefahr sich selbst zu verlieren…
Bei den meisten Filmen rät es sich so gut es geht keine Informationen bezüglich der Handlung oder auch des Stiles des Filmes einzuholen. „Horns“ hingegen ist einer der Fälle, bei dem es nicht verkehrt ist sich einen kurzen Überblick zu schaffen, was einen überhaupt erwarten wird. Alexandre Aja hat hier einen Film kreiert, der sich nicht einfach in eine einzige Schublade stecken lässt. Alleine die Tatsache, dass man hier mehrere Genre miteinander vermischt hat stellt natürlich ein schwieriges Unterfangen dar. Viele Filme versuchen einen gelungenen Mix aus Genres darzustellen, doch versagen meistens auf der gesamten Linie, da sie diese Stile nicht richtig einfangen können oder richtig ausarbeiten. Doch Alexandre Aja hat es tatsächlich geschafft einen Film auf die Beine zu stellen, der sich mehreren Stilmitteln perfekt aneignet. So erfährt der Zuschauer selbst während des Werkes diverse Gemütsschwankungen. So fasziniert „Horns“ mit seinen Drama, Thriller, Fantasy, Horror, Krimi, Coming-of-Age und Komödienmomenten und weiß diese gekonnt zu präsentieren. Jede einzelne Sekunde dessen ist hervorragend ausgearbeitet und dies sogar so, dass der Zuschauer nicht Gefahr läuft sich in diesem Wirrwarr zu verheddern oder ehr desillusioniert zurück bleibt. Die Übergänge sind gekonnt in Szene gesetzt und vermögen es sogar sich selbst in dieser kleinen und düsteren Welt zu verlieren.
Es ist recht ungewöhnlich solch eine Handlung vor sich zu haben und zeitgleich zu wissen, dass Alexandre Aja für dieses Werk verantwortlich ist. Gerade im Hinblick auf Aja´s Vergangenheit dürfte dies sogar für gewisse Ernüchterung sorgen, denn dieses Mal stehen die Gewaltszenen keines Falls im Vordergrund, sie sind sogar nur recht dezent vertreten. Vielmehr richtet „Horns“ sein Hauptaugenmerk auf seine Charaktere, allen voran auf Ig. Bei vielen Menschen dürfte sich eine gewisse Skepsis breit machen, wenn man sieht dass Daniel Radcliffe in die Hauptrolle geschlüpft ist. Das Problem ist, dass ihm noch das Harry Potter Image anhaftet (so werden es zumindest viele behaupten), doch spätestens nach der Sichtung von „Horns“ dürfte klar sein – No More Mr. Nice Guy. Radliffe spielt den gebeutelten Ig mit solch einer emotionalen Hingabe, dass man ihm seine Rolle sofort abkauft. Auch wenn er in den meisten Szenen sehr distanziert und vielleicht auch sehr düster daher kommt, so hegt man vom ersten Moment an für ihn gewisse Sympathien und fiebert mit seiner Figur regelrecht mit. Aber auch der restliche Cast kann durchaus überzeugen. So gestaltet sich auch die Rollenvergabe der Merrin Williams an Juno Temple als wahrer Glücksgriff. Sie wirkt wie eine konstante Gleichung und ist nicht nur vom optischen Standpunkt ein wahrer Augenschmaus. Es gestaltet sich als wahrer Vorteil wenn man sie im Bild sieht, da sie hingebungsvoll und mit solch einer Inbrunst ihre Rolle verkörpert, dass man verstehen kann weshalb Ig sie so abgöttisch geliebt hat. Trotzdem verzichtet Aja hier nicht auch auf einen namenhaften Cast, denn so finden sich auch bekannte Gesichter wie James Remar (Django Unchained), Max Minghella (The Social Network), Heather Graham (Boogie Nights) und David Morse (The Green Mile) ihren Platz in diesem Werk.
Die Stimmung bei „Horns“ ist in Bezug auf die verschiedenen Genre trotzdem recht trocken gehalten. Kühle Bilder sind hier meistens vertreten und werden auch noch durch den experimentellen Soundtrack verstärkt. So darf zum Beispiel David Bowie mit seinem Song „Heroes“ für eine recht entspannte Stimmung sorgen, während schon im nächsten Moment Marilyn Manson mit „Personal Jesus“ oder Fever Ray mit „If I had a Heart“ für einen Stimmungsumschlag sorgen und den Zuschauer in eine sehr düstere Gemütsstimmung mit einbeziehen. Immer wieder schwankt man dank des Soundtracks zwischen verschiedenen Stimmungslagen und es ist einfach hervorragend. Weil in diesem Momenten viele Eindrücke auf den Zuschauer einwirken und man die Situationen so besser wahrnimmt und sich in die erzählerische Gewalt von „Horns“ voll mit einbezieht.
Zu guter Letzt stellt sich natürlich die große Frage, wie es mit der Zeigefreudigkeit von „Horns“ aussieht. Mit „Horns“ lässt es Aja sehr ruhig angehen und überschüttet den Zuschauer auch nicht mit Gewaltausbrüchen, sowohl physischer als auch seelischer Gewalt. Ab und an wirft man eine nette, kleine Goreszene mit ein, die aber niemals dominant ausfallen. Doch man muss auch sagen, dass diese nicht wirklich glücklich machen, da hier ein recht billiger Einsatz von CGI-Effekten zu Stande gekommen ist und leider sehr ermüdend erscheint. Gorehounds werden hier definitiv nicht auf ihre Kosten, doch darauf hat es dieser Film auch niemals abgesehen.
„Horns“ wird einer der Filme sein, der sein Publikum suchen wird/muss. Durch die verschiedenen Stilrichtungen die dieser besitzt, könnte er sogar den etwas anderen Effekt besitzen und die Zuschauer ehr auf Distanz halten. Doch wenn man wirklich bereit ist sich auf „Horns“ einzulassen, dann dürfte man einen sehr speziellen aber durchaus beeindruckenden Film von 2 Stunden erhalten, der einen in seinen Bann ziehen kann. Abgesehen von den recht billigen CGI-Effekten welche im Gorebereich geboten werden, ist „Horns“ in meinen Augen(!) ein absoluter Volltreffer und mein persönliches, kleines Highlight des Jahres. Daher gibt es von mir auch die volle Punktzahl.
In Deutschland wird "Horns" am 06.08.2015 in die Kinos kommen.Eine Freigabe steht bisher noch aus, doch ich würde auf eine FSK 16 tippen. Wer bis dahin aber nicht warten kann und kein Problem damit hat sich diesen Film im O-Ton anzuschauen, der kann diesen auch schon aus England ordern.
10/10