SCHNITTBERICHTE | # | A | B | C | D | E | F | G | H | I | J | K | L | M | N | O | P | Q | R | S | T | U | V | W | X | Y | Z
Titel suchen:
Dead Island 2 · Die heißgeliebte Zombie-Saga ist zurück! Uncut! · ab 58,99 € bei gameware Resident Evil 4 Remake · Erlebe den Albtraum. · ab 67,99 € bei gameware

Blutige Seide

Originaltitel: Sei donne per l'assassino

Herstellungsland:Italien (1964)
Standard-Freigabe:FSK 16
Genre:Krimi, Thriller
Alternativtitel:6 femmes pour l'assassin
L'Atelier de la peur
Blood and Black Lace
Fashion House of Death
Six Women for the Murderer
Six femmes pour l'assassin
Würger mit der Maske, Der
Bewertung unserer Besucher:
Note: 9,21 (14 Stimmen) Details

Inhaltsangabe:

In einem Modesalon, in dem sich die Reichen, die Schönen und die Verruchten der Oberschicht treffen, sorgt eine Handtasche für erhebliche Aufregung. Offenbar enthält diese ein Geheimnis, das den feinen Damen und Herren zum Verhängnis werden könnte. Schon bald treibt ein maskierter Killer sein Unwesen unter den Mannequins... (e-m-s/Anolis DVD-Cover)

Diese Kritik enthält Informationen über den späteren Handlungsverlauf der Geschichte.
eine kritik von insanity667:

Nachdem er im Bereich des phantastischen Films um Vampire und andere übernatürliche Schrecken als Regisseur seit 1957 tätig war, verschlug es Italo-Horror Legende Mario Bava nach seinen bis dato größten Erfolgen "Die Stunde wenn Dracula kommt" aka "Black Sunday" (1960) und "Black Sabbath" (1963) mit dem Fortschreiten der 60er Jahre zunehmend in die Kriminalfilmecke. Ebenfalls 1963 überzeugte er dann mit "The Girl that knew too much" mit welchem er selbst relativ unzufrieden war, 1964 war es dann aber schließlich an der Zeit, dass der Meister seinen Thriller "Blutige Seide" auf den Weg brachte.

Mit diesem kleinen, ausgeklügelten Werk, deutlich inspiriert durch die guten alten Edgar Wallace Romane/Filme und die legendären Kriminalgroschenheftchen mit dem gelben ("gelb" = ital. "giallo") Einband, legte Maestro Bava den Grundstein für ein ganz neues Genre welches in den folgenden Jahren immer mehr junge europäische Regisseure "anstecken" sollte, dem Giallo! Bekanntermaßen ein Genre, welches seine Reize aus optisch opulent inszenierten Thriller oder auch Horrorelementen zieht, nicht selten garniert mit einem Hauch Erotik und vorallem viel Blut. Dieser heute als "typisch" anerkannten Stilmittel und Akzente bediente sich Bava mehr oder weniger aus der Überdrüssigkeit der mittlerweile zu relativ unspektakulärem Feierabendkrimis verkommenen Standarts seiner Zeit heraus. Nun, damals hätte der gute Herr wohl nie daran geglaubt, dass er als südeuropäischer Filmemacher indirekt damit irgendwann einmal für die Entstehung des amerikanischen "Slashers" mitverantwortlich sein würde, indem er durch sein Schaffen Regisseure wie John Carpenter zu seinem "Halloween" oder Sean S. Cunningham zu "Freitag der 13." inspirierte, aber so ist es letztendlich ja dann gekommen, zum Glück... Nun aber zu "Blutige Seide"!

 

Die junge, attraktive Adelstochter Christina ist Inhaberin einer Modelagentur in Rom. Zusammen mit ihrem Liebhaber Max leitet sie das Geschaft äusserst erfolgreich bis eines schönen Tages ein grausamer Mord geschieht. Die Polizei tappt im Dunkeln, niemand scheint ein Motiv gehabt zu haben bis ein mysteriöses Tagebuch auftaucht, welches zunächst Aufklärung verspricht. Dummerweise wird das Model Nicole, welche das Tagebuch entdeckt hat, ebenfalls getötet. Langsam wird den Beteiligten, allen voran Inspektor Silvestri klar, dass sie es mit einem Serienkiller zu tun haben welcher darauf bedacht ist, was auch immer in dem Tagebuch steht um jeden Preis geheim zu halten... 

Die Story ist anfangs relativ unkompliziert und straight aufgebaut, man findet also leicht in den Film rein und es geht angenehm übersichtlich zur Sache. Später dann, als langsam klar wird worum es dem Killer geht und warum das Tagebuch unbedingt beiseite geschafft werden muss folgt dann ein überraschender Twist nach dem anderen bis sich das Geflecht aus Lügen und Intrigen zum Ende gänzlich entwirrt. Bava und Drehbuchautor Fondato setzten hier allerdings nicht vordergründig auf die Zurschaustellung der Polizeiarbeit zur Aufklärung der Verbrechen (wie in einem klassischen Kriminalfilm z.B. nach dem Vorbild Wallace bis dato üblich) sondern verlagerten den Fokus geschickt auf die Protagonistin Christina, die Models und Max, in Grundzügen mit deutlichen Parallelen zu Hitchcock's "Psycho" versehen. Darüber hinaus kann man auch die durchaus (gesellschafts)kritischen Aspekte von "Blutige Seide" positiv hervorheben z.B. das Thema "Modewahn", und seine negativen Auswirkungen vorallem auf die Mannequins, welches sehr stark durch das Storykonstrukt schimmert oder auch der damalige Umgang mit Drogen und Rauschmitteln, teilweise eben auch im direkten Bezug zum Schönheitsideal und dem perfekten Modeprodukt.

Die Schauspieler hierfür wurden wirklich gut ausgewählt, allen voran die hübsche Eva Bartok  ("Der rote Kosar") als Christina und der charismatische Cameron Mitchell ("Without Warning") als Max. Diese beiden sind zwar keine Leigh und kein Perkins aber überzeugen mit ihren teils recht ambivalent anmutenden Charakteren trotzdem über den ganzen Film hinweg. Desweiteren zu bestaunen sind Thomas Reiner als Inspektor Silvestri, Ariana Gorini  als Nicole und Mary Arden als Peggy wobei deren Leistungen dann doch eher eine Abwärtskurve zum guten Durchschnitt hin ziehen, was insgesamt jetzt aber weit weniger schlimm ist, als es sich vielleicht ließt. Ich persönlich hatte zumindest nie wirklich überwiegend das Gefühl, dass etwas schwerwiegenderes hinsichtlich der Figuren und deren zugewiesenen Darstellern schiefgelaufen ist. Kann man sicher aber auch anders empfinden.

Der heimliche Star hier ist aber sowieso die revolutionäre Inszenierung und die gesamte Machart des Streifens sowie die liebevolle, komplexe und detaillierte Ausstattung der Sets. Man kann heute rückblickend durchaus sagen, dass "Blutige Seide" seiner Zeit weit voraus war. Wo Hitchcock sich aus Angst vor Ärger mit der Zensur noch bewusst für "unblutiges" schwarz/weiß entschied und braunen Sirup in den Abfluss der Dusche kippte, legte Bava noch einen Rotfilter drüber. Die Farbspielerein sind der Wahnsinn, alles hat hier Szene für Szene eine klare Struktur mit der jeweils passenden Ausleuchtung und Farbgebung. Der Kontrast zwischen knalligen, satten Rottönen und blassen, fast schon steril wirkenden hellen Farben vor allem in den Mordszenen z.B. sorgen für einen wirklich einzigartigen Look, welcher hier ab und an in seiner Symbolik (die Mordwaffe(n), das Tagebuch, das rote Telefon etc...) durchaus als tragendes Element angesehen werden kann und, wer hätte es gedacht, sich auch in späteren Gialli als feste Größe etablierte. Verbunden mit der hervorragenden Kammeraarbeit von Ubaldo Terzano ("Deep Red" aka "Rosso - Die Farbe des Todes", "A Lizard in a Woman's Skin"), die sich durch lange Fahrten und hauptsächlich abgeklärte aber dennoch bewegte Höhepunkte definiert, kann man von echtem und vorallem zeitlosen "Eyecandy" sprechen, das auch heute noch genauso prima funktioniert wie etwa Dario Argento's wesentlich später erschienenes Glanzstück "Suspiria" (1977) und nichts von seiner Faszination verloren hat.

Für die passende, musikalische Untermalung sorgte Carlo Rustichelli dessen Arbeit angenehm an die Krimis und Thriller seiner Zeit erinnert und perfekt zum Gezeigten passt, allerdings nicht wirklich viel mit den Klängen die man innerhalb des Genres erwarten würde gemein hat. Ist aber alles nicht so schlimm, schließlich war "Blutige Seide" ja einer der ersten seiner Art und Prog-Rock musste damals eben erstmal für den Giallo erfunden werden. Somit gibt es in diesem Bereich wahrlich nichts zu beanstanden.

Auch das Blut darf natürlich nicht fehlen, schließlich reden wir ja von einem genredefinierendem Werk... Für die damalige Zeit ging es in "Blutige Seide" folglich schon ziemlich heftig zu Sache, weswegen eine länger anhaltende Kontroverse um den Film, vorallem in Übersee, nicht ausblieb. Obwohl man heute schon darüber schmunzeln kann waren die recht expliziten, in ihren Effekten aber eben lange nicht so übertriebenen Mordszenen für einige "Kritiker" überhaupt nicht komisch. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Kombination aus Story, Farbe, Inszenierung und Anzahl der Opfer hier eine große Rolle für die allgemeine "Empörung" gespielt hat, wurde doch "Psycho" ständig als Paradebeispiel dafür herangezogen, dass es auch anders geht. Wer hier in seiner künstlerischen Entscheidung richtiger gelegen hat ist allerdings ein klassischer Äpfel-Birnen Vergleich denke ich. In Deutschland zumindest hatte der Film keinerlei Probleme und ist (meines Wissens nach, man darf mich aber gerne korrigieren) seit jeher ab 16 Jahren freigegeben.

Vielleicht auch noch interessant:

- "Blutige Seide" war in seinem Heimatland nicht nur ein kommerzieller Misserfolg, trotz seines weltweit enormen Einflusses geriet der Film in Italien zu allem Überfluss auch noch beinahe komplett in Vergessenheit. Erst 35 Jahre nach Kinorelease schaffte er es im Land der Römer und Spaghetti auf eine VHS Veröffentlichung! 

- In Deutschland hingegen ("Blutige Seide" ist eine italienisch-deutsche Co - Produktion) verbuchte der Film größere Erfolge welche die Investoren hinter solchen oder ähnlichen (aber schlichteren) Kriminalgeschichten letztendlich davon überzeugten, verstärkt auf den Einsatz von Farbfilm zu setzen, was vorher so wohl nicht der Fall gewesen wäre.

- Im Gegensatz zu vergleichbaren amerikanischen Produktionen konnte sich Bava oftmals aufgrund des niedrigen Budgets (ca. 150,000 US-Dollar) nur mit einigen Tricks und Kniffen überhelfen, welche später von Regisseuren wie Lucio Fulci ebenfalls aus Kostengründen übernommen wurden. So stand statt aufwändiger Dolly-Shots eben einfach nur eine Art selbstgebautes "Skateboard" zur Verfügung. Für Kran-Shots wurde eine Art improvisierte verlängerte Wippe verwendet. Schaut man sich den Film mit diesem "Wissen" im Hinterkopf an, ist die Tatsache, dass dies alles letztendlich so gut gelungen ist umso beeindruckender.

- Der Film wurde zwar komplett mit englischen Dialogen gedreht, für die Kinoauswertung in englischsprachigen Ländern aufgrund von "störenden Akzenten" einiger Charaktere allerdings nochmals nachsynchronisiert. Dieses Verfahren war gerade bei europäischen Produktionen, an denen mehrere Länder beteiligt waren, zur damaligen Zeit nicht unüblich.

 

Fazit:

Absolute Pflicht! Meisterhaft inszeniert, ausgeklügelt erzählt und vorallem Wegbereiter für soviele andere Klassiker und nicht zuletzt einfach ein genialer, unglaublich fesselnder und toller Film der auch heute noch perfekt funktioniert!

10/10 Punkte, was sonst?

10/10
Weiter:
mehr reviews vom gleichen autor
Wolf
Insanity667
9/10
Nacht
Insanity667
8/10
Trauma
Insanity667
7/10
die neuesten reviews
Hangover
Kaiser Soze
10/10
No
dicker Hund
6/10
John
Phyliinx
10/10

Kommentare

07.06.2015 19:22 Uhr - NoCutsPlease
2x
DB-Helfer
User-Level von NoCutsPlease 23
Erfahrungspunkte von NoCutsPlease 12.137
Wahnsinnsding vom Wahnsinnstypen. ;-)
Sehr umfangreich und äußerst informativ sowie kompetent formuliert.

07.06.2015 23:44 Uhr - Insanity667
1x
DB-Helfer
User-Level von Insanity667 11
Erfahrungspunkte von Insanity667 1.882
Vielen Dank! :-) Immerhin ein Stammleser der nicht im Biergarten verschollen zu sein scheint! :D

08.06.2015 08:03 Uhr - Angertainment
2x
DB-Helfer
User-Level von Angertainment 15
Erfahrungspunkte von Angertainment 3.893
Sehr schöne Review.

16.06.2015 09:54 Uhr - Raskir
2x
Tolle Review zu einem großartigen Film!
Vielen Dank dafür.

16.08.2015 11:30 Uhr - cecil b
2x
Moderator
User-Level von cecil b 19
Erfahrungspunkte von cecil b 7.972
Da war aber mal ein Cineast an der Schreibmaschine! Hut ab!!!!!

16.08.2015 19:34 Uhr - Insanity667
2x
DB-Helfer
User-Level von Insanity667 11
Erfahrungspunkte von Insanity667 1.882
Danke cecil! :)

12.01.2018 13:31 Uhr - NoCutsPlease
1x
DB-Helfer
User-Level von NoCutsPlease 23
Erfahrungspunkte von NoCutsPlease 12.137
So, nun habe ich "Blutige Seide" auch endlich einmal nachgeholt.
Vom reinen Sichtungsgefühl wäre ich bei seiner guten 9, aber da ich Filme mit revolutionärem bzw. wegweisendem Einfluss generell mit einem kleinen Bonus werte, teile ich natürlich die 10! :)
Es ist schon wirklich toll, wie hier mit Farben, Kamerafahrten, Bildkompositionen und Musik gespielt wurde, um eine richtig tolle Atmosphäre zu schaffen. Den nehme ich doch mal gern als Referenztitel für das Genre.

12.01.2018 13:54 Uhr - Insanity667
1x
DB-Helfer
User-Level von Insanity667 11
Erfahrungspunkte von Insanity667 1.882
12.01.2018 13:31 Uhr schrieb NoCutsPleaseSo, nun habe ich "Blutige Seide" auch endlich einmal nachgeholt.
Vom reinen Sichtungsgefühl wäre ich bei seiner guten 9, aber da ich Filme mit revolutionärem bzw. wegweisendem Einfluss generell mit einem kleinen Bonus werte, teile ich natürlich die 10! :)
Es ist schon wirklich toll, wie hier mit Farben, Kamerafahrten, Bildkompositionen und Musik gespielt wurde, um eine richtig tolle Atmosphäre zu schaffen. Den nehme ich doch mal gern als Referenztitel für das Genre.


Uiii, vielen Dank für das Feedback! Eieiei... Bei dem alten Review lag aber auch noch einiges im Argen bei mir.

"Blutige Seide" ist Pflichtprogramm, wenn man sich (wie wir) auch gerne mal filmhistorischen Hintergründen widmet! Freut mich sehr, dass du meine Wertung teilst! :)

kommentar schreiben

Um Kommentare auf Schnittberichte.com veröffentlichen zu können, müssen Sie sich bei uns registrieren.

Registrieren (wenn Sie noch keinen Account hier haben)
Login (wenn Sie bereits einen Account haben)