Ja... es gibt sie noch. Filme die Geschmäcker trennen und geschmacklose Filme ;)
Ich denke das jeder, der diese Zeilen liest schon die Reihe kennt, muss aber dennoch ein wenig ausholen, um den Bogen hinzukriegen. Dies erfordert nämlich auch die Handlung.
Regisseur Tom Six hat es vor ein paar Jahren (2010) bewiesen und mit einer kranken Idee und dessen filmischer Umsetzung die Welt geschockt. Ursprünglich aus dem Gedanken entstanden, dass Tom Six die körperliche Tüchtigung von Kindesvergewaltigern so oder so ähnlich gestalten würde, ging er den nächsten konsequenten Schritt und machte aus der perfiden Strafvollzugs-Idee einen bahnbrechenden Horrorfilm. Mit dem geringem Budget von 1,5 Mio. Dollar und einer subversiven Geschichte, wurde dann aus dem Mad-Scientist- und Bodyhorror-Mix ziemlich schnell ein finanzieller Erfolg. Mittlerweile kratzt das Box Office an die 180 Mio. Dollar und der Heimvideomarkt bricht nicht ab.
Der erste Film war auf Grund seiner angeblich "medizinisch korrekten" Ausarbeitung und der Werbekampagne dahinter schnell bekannt geworden. Der Niederländer Tom Six machte sich keine Sorgen um Ethik und Zensur und lässt hier Grenzen fallen. Die eingebaute Sprachbarriere der Darsteller funktioniert wunderbar und gerade der Independent Faktor und die Kompromisslosigkeit schlugen große Wellen. Im Folgefilm "Centipede 2" (2011) wurde dann ein neuer Betrachtungswinkel gewählt und ein geistesgestörter Mann, der sich eben den Film "The Human Centipede" angesehen hat, fühlt sich dadurch inspiriert und möchte das im Film gesehene Experiment in der Wirklichkeit nachstellen. Teil 2 wird durchweg in schwarzweiss dargestellt und hat neben der inszenatorischen Ruhe und Kälte einen furchteinflössenden Hauptdarsteller zu bieten. Man kauft Laurence R. Harvey den gestörten Wahnsinnigen ab und bekommt quasi als stiller Betrachter seine kranke Welt gezeigt.
Wie abgebrüht man auch sein mag, die Härte und Darstellung der gezeigten Ereignisse sind wirklich bemerkenswert und krank, positiv gemeint. Meiner Meinung nach funktioniert der erste Film als Grundidee und Indpendent Film sehr gut, der zweite allerdings nur bedingt. Da hier anscheinend nur "mehr Tabubrüche" und mehr explizite Gewalt im Vordergrund standen, fehlte mir hier etwas besonderes und der Inhalt kam eher platt rüber.
Nun hat Mister Six ein drittes Mal seine Schergen um sich versammelt und fährt mit den beiden Darstellern der Originalfilme Dieter Laser und Laurence R. Harvey auf Nummer sicher und beginnt interessanterweise auch zum dritten Mal in einem anderen Land mit den Dreharbeiten. So ging die Reise aus den heimischen Niederlanden bis nach Taiwan und bietet bei weitem das größte Set der Reihe und die meisten Darsteller. Hier war dann auch genügend kreative Freiheit um Gastrollen unterzubringen und beispielsweise Eric Roberts, "Tiny" Lister und Erwachsenenunterhaltungstalent Bree Olson mit ihren zwei großen Talenten. Letztere bekam die Rolle vermutlich durch die Beteiligung an einer kurzen Human Centipede Parodie, welche auf gängigen Streaming-Platformen zu finden ist. (Kann man übrigens ohne Spoilergefahr schauen, sind nur 2 Minuten)
Das Setting ist dieses Mal ein Hochsicherheitsgefängnis in der Wüste. Gefängnisleiter Bill Boss (gespielt von Laser) würde gerne bei den Insassen alte Foltermethoden ausprobieren um sie gefügig zu machen, während er anscheinend eh alle anderen Menschen wie Dreck behandelt. Dies bekommt man dann auch ca. 40 Minuten lang präsentiert und die Figur des Bosses hier ist äusserst unsympathisch. Sein Gehilfe (Harvey) versucht ihm mehrfach eine kuriose Idee unterzujubeln. Er ist inspiriert durch die beiden Filme "Centipede 1+2" und beruft sich auf das Hintergrundwissen durch Tom Six (als er selbst) und möchte die Insassen des Gefängnisses zu Testobjekten machen. Also laden die beiden Herren den Regisseur der Filme zu sich ein und besprechen ein Konzept zur Durchführung, was den Insassen natürlich nicht gefällt. All das wird durch einen skurillen wilden Mix aus Gewalt und Folter beschrieben. SFX kriegen wir natürlich auch von der üblen Sorte, hier dürfen dann mal Testikel entfernt und getrocknete Clits (ja genau) verspeist werden, alles ohne Umscheife.
Das große Plus an diesem Werk ist zweifelsohne die schmierige Knast-Kulisse in der Wüste und eben die Meta-Ebene, welche sich ebenso wie Teil 2 auch schon auf eine neue Perspektive verlässt. Auch wenn der Film ohne Frage nichts für schwache Gemüter ist, kommt die Brutalität hier schon so überzogen dass sie wieder ins selbstironische verläuft. Es werden einige Szenen aus den ernsteren beiden Filmen gezeigt, um den Insassen das Vorhaben zu präsentieren, und dennoch besitzt der Film einen humoristischen Anteil. Harvey und Olson spielen durchaus solide und können ihre Figuren passend besetzen, auch wenn es bei Fellatio-Freundin Bree eher eine Rolle geworden ist, für die sie vermutlich nicht viele Frauen beneiden dürften.
Den meisten Text hat aber leider Dieter Laser bekommen, welcher mich als Mad Scientist Dr. Heiter überzeugen konnte, hier als Bill Boss aber einfach pures Overacting zelebriert. Laser schnauzt fast jeden seiner Dialoge lauthals und sein Akzent nervt einfach mit der Zeit und ist statt schrullig nur noch platt. Auch die ihm zugedachte Rolle als fieser Gefängnispsycho der gerne foltert und tötet ist einfach zu verrückt. Hier verliert der Film mich einfach. Seine Figur ist als mieser Bastard zu übertrieben um ernst zu wirken, und einfach nicht gut gespielt um hier als witzige Figur einen Charakter zu erschaffen den man gerne verfolgt.
Wenn man das Ganze im Nachgang betrachtet und evtl. auch den Trailer zum dritten Tausendfüßlerprojekt gesehen hat, ist Tom Six's Ansatz durchaus erkennbar. Er wollte wieder etwas Neues schaffen, weitere Tabu's mit dem Gezeigten brechen und dennoch eine Note Humor mit reinpacken, ohne das Grundkonzept zu verlieren. Soweit ist das auch geglückt, aber dennoch wird man das Gefühl einfach nicht los, das der Film weder Fleisch noch Fisch ist. Wenn man den brachialen und verstörenden Zweiten Teil aussen vor lässt, ist es aber vom Konstrukt her eine konsequente Steigerung zum Erstling. Da in Centipede 2 aber ein dunklerer Ton angeschlagen wird, könnte ich mir vorstellen, dass viele Sickos und Gorehounds nun eher enttäuscht sein werden.
Reiht sich also bestens in das Konzept der Reihe ein:
"Ich kann den nicht empfehlen, aber du musst ihn trotzdem gucken." Davon lebt der Titel eben.
5/10