The Green Inferno
Aus welchem Grund über Regisseur Eli Roth so häufig und so energisch debattiert wird, erschließt sich mir bis heute nicht wirklich. Ich für meinen Teil halte ihn für einen soliden Genrefilmer, der immerhin ein Horror-Subgenre mitgeprägt hat (auch wenn dieses seinen Zenit bereits qualitativ und quantitativ weit überschritten hat). Seinen bisherigen Output als Regisseur und Produzent sehe ich demnach zwar nicht als bahnbrechend oder wegweisend an, aber immerhin als grundsolide Genre-Unterhaltung. Und „The Green Inferno“ macht da keine Ausnahme.
Wie allgemein bekannt sein dürfte, stellt „The Green Inferno“ eine echte Herzensangelegenheit für den Regisseur dar. Eine Huldigung des von ihm so geschätzten und in Fankreisen gleichermaßen berühmt wie berüchtigten Kannibalensplatter-Films europäischer Prägung sollte es werden. Eine filmische Verbeugung besonders vor Ruggero Deodatos kontroversem Meisterwerk „Cannibal Holocaust“ (wie der Titel „The Green Inferno“ überdeutlich klarmacht), gespickt mit Zitaten und Anspielungen auf eben jene vergangene Epoche, als im italienischen Genrefilm noch ungestüm und wild drauflosgefilmt wurde. Und über weite Strecken gelingt es dem Regisseur tatsächlich an diese simple, exploitative Filmgattung zu erinnern, wobei seltsame Drehbuchentscheidungen und diverse Ausrutscher in albernen Humor sein löbliches Vorhaben etwas sabotieren. Aber der Reihe nach.
Die Story einer jungen Studentin, die sich einer Gruppe von Öko-Aktivisten anschließt um im Urwald von Peru gegen großflächige Abholzung durch Multikonzenre zu demonstrieren, nach einem Flugzeugabsturz aber in die Fänge eines kannibalistischen Ureinwohnerstammes geraten, ist als zweckdienlich und im Hinblick auf die hier zitierten Vorbilder angemessen simpel zu bezeichnen. Die Figuren werden dabei nur sehr grob gezeichnet, wirken aber in ihrer reduzierten Ausformulierung sympathisch genug um ihnen nicht sofort die Krätze oder einen grauenvollen Filmtod an den Hals zu wünschen. Lorenza Izzo als Justine bleibt dabei klar Zentrum der Zuschaueraufmerksamkeit. Und sie liefert auch eine sympathische Vorstellung ab. Viele der anderen Schauspieler wurden aus dem bisherigen Wirkungskreis des Regisseurs gecastet. So finden sich neben Lorenza Izzo noch Ariel Levy, Nicolás Martínez, Ramón Llao und Matías López aus dem von Eli Roth produzierten „Aftershock“ in der Besetzungsliste von „The Green Inferno“ wieder. Richard Burgi aus „Hostel 2“ schaut auch kurz vorbei und mit Aaron Burns und Ignacia Allamand haben wir noch zwei Namen, die ebenfalls mit Lorenza Izzo in Eli Roths „Knock Knock“ vor der Kamera standen.
Etwas gewöhnungsbedürftig gestaltet sich zu Beginn die sterile Digital Video- Optik des Films, fängt sie doch die anfänglichen Szenen auf dem Uni-Campus eher auf TV- Film Niveau ein. Mit der Ankunft unserer Protagonisten Im Dschungel relativiert sich dieses Manko dann aber wieder und es regieren satte, farbenprächtige, knackscharfe Bilder. Das ist zwar weit weg von der grobkörnigen Schmuddelfilm-Optik der hier zitierten Vorbilder, entwickelt durch den Einsatz prächtiger Farben und steiler Kontraste aber seinen ganz eigenen Reiz.
Inhaltlich bleibt man der höchst simplen Struktur treu, wobei die Figurenkonstellationen durch einige gruppeninterne Konflikte bzw. sich entwickelnden Sympathien einiger Figuren aufgelockert wird. Seinen ersten Höhepunkt erreicht der Film dann beim grimmig inszenierten Flugzeug Absturz, der in seiner leicht gehässigen und schadenfrohen Inszenierung allerdings eher an die „Final Destination“-Reihe erinnert. Nach dieser unfreiwilligen Landung ist der Film dann aber auch endlich da angekommen wo er letztlich hinwollte. Und die Ereignisse überschlagen sich für kurze Zeit, so dass die Überlebenden Ruck Zuck in den Bambuskäfigen der Kannibalen landen. Während die Exposition des Films vielleicht etwas zu lang geraten ist verschwendet Roth in dieser Filmphase keine Zeit mehr und haut prompt eine für amerikanische Produktionsverhältnisse absolut bestialische Goreszene raus, die in ihrem sadistischen Ablauf und der plakativen Zurschaustellung blutiger Details den hier zitierten Vorbildern verdammt nahe kommt. Ein großes Lob an dieser Stelle an die KNB-FX Group, die hier wirklich einen fantastischen Job geleistet haben. Des Weiteren entwickelt die nun folgende Filmphase ein erhebliches Maß an Authentizität, denn die hier dargestellten Kannibalen werden von einem tatsächlichen Eingeborenenstamm gespielt. Das exotische Flair der für den Dreh aufgesuchten Originalschauplätze im Amazonas trägt ebenfalls zu dieser bei.
Schade dass diese toll eingefangene Atmosphäre durch etwas deplatzierten Humor immer wieder gestört wird. Dass der Film ohnehin nicht absolut bierernst daherkommen will, wird innerhalb des grimmig-bösen Treibens und der ein oder anderen makabren Gewaltspitze die mitunter zu zynischem Gelächter führen können klar. Während die schwarzhumorigen Momente grundsätzlich gut ins makabre Treiben passen, schießen einige Ausrutscher in Fäkalhumor-Regionen allerdings peinlich übers Ziel hinaus. Glücklicherweise halten sich diese Momente in überschaubaren Grenzen, Abzüge in der B-Note gibt’s dafür aber trotzdem. Als gelungen darf man aber Eli Roths Spiel mit der Erwartungshaltung der Zuschauer, besonders im Hinblick auf die Tatsache wer hier als Kannibalenfutter endet und wer nicht betrachten. Die simple Horrorfilmregel, dass moralisch einwandfreie Figuren oder Sympathieträger automatisch die höchsten Überlebenschancen haben, wird hier ad absurdum geführt. Das ist zwar mitunter auch nicht neu, aber trotzdem gelungen umgesetzt.
Im letzten Drittel des Films gerät dann das Drehbuch leider etwas ins Stottern, denn die Ereignisse drehen sich dramaturgisch munter im Kreis. Eine kurze Flucht aus dem Dorf der Kannibalen, in der sich unsere Protagonisten durch den Dschungel und all seine Gefahren kämpfen müssen, wird recht abenteuerlich inszeniert, läuft dramaturgisch allerdings vollkommen ins leere, da sie wieder zu einer Gefangennahme führt und sich die Figuren in leicht variierter Form in bereits bekannter Situation wiederfinden. Und fürs Finale zaubert das Drehbuch unkreativer Weise einfach eine weiteres Fluchtszenario aus dem Hut. Das wirkt dann leider etwas verschenkt und die Auflösung der Geschichte versucht wenig subtil noch etwas moralischen Subtext in die Geschichte zu pressen. Insgesamt ein leicht unbefriedigender Abschluss (obwohl Eli Roth sein Publikum mit zwei Szenen (könnte man fast als "Fake-Twits" bezeichnen) gelungen verabllhornt. Eine zusätzliche Szene während des Abspanns hingegen ist beinahe zum Haare raufen absurd ;-)).
Insgesamt ist „The Green Inferno“ aber trotz einiger Mankos ein durchaus sehenswertes Kannibalenfilm-Revival. Die etwas lange Exposition wird durch einen wirklich gelungenen Mittelteil relativiert, der Härtegrad stimmt und nimmt besonders in einer bestimmten Szene ungeahnte Höhen an, die farbenfrohe, kontrastreiche Optik kreiert, in Zusammenhang mit den genutzten Originalschauplätzen und der Zusammenarbeit mit einem tatsächlichen Eingeborenenstamm, ein beachtliches Maß an Authentizität und der Humor ist größtenteils pechschwarz und grimmig. Und auch wenn das Drehbuch gerade im letzten Drittel etwas schwächelt und der Humor manchmal in peinliche Sphären abdriftet, so wirklich geärgert haben mich diese Mankos eigentlich nicht, zumal sie, im Hinblick auf das hier zitierte Filmgenre, irgendwie sogar dazu gehören. Unfreiwillige Komik, dramaturgische Kuriosität und aufgesetzte Moralkeule inklusive. Der ganz große Wurf ist es nicht geworden und die durchschlagende Wirkung eines „Cannibal Holocaust“ wird hier auch nicht erreicht, als gelungene Hommage an ein ungestümes, wildes Subgenre geht „The Green Inferno“ aber trotzdem durch.
Knappe 7 Punkte
7/10