So, nachdem ich in meinen letzten Reviews so weit über den Tellerrand geschaut habe, dass ich glatt runtergefallen, jedoch glücklicherweise auf MARGOS SPUREN gelandet bin und herausgefunden habe, dass DER FLUCH VON DOWNER'S GROVE eher in den Räumlichkeiten des Verleihers Tiberius Film herumspukte denn im zugehörigen Film, war es wieder an der Zeit, sich den härteren Seiten der Filmwelt zu widmen. Und was könnte da besser passen, als die zweite Fortsetzung des berüchtigten 2010er-Remakes von I SPIT ON YOUR GRAVE? Der Vorgänger, also I SPIT ON YOUR GRAVE 2, variierte die Story des ersten Teils nur minimal, hatte aber inhaltlich mit diesem gar nichts zu tun. Neue Hauptdarstellerin, mehr Rape, deutlich widerlicheres Revenge, kurz, ein Film, der in der ungeschnittenen Fassung an der einen oder anderen Grenze kratzte, aber nichts weltbewegend neues bot. Hier hat der nun vorliegende 3. Teil etwas mehr zu bieten, stellt er doch eine direkte Fortsetzung des Remakes dar:
Jennifer Hills lebt unter falschem Namen in einer grösseren Stadt und versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen, was nach den schrecklichen Dingen, die ihr widerfahren sind, verständlicherweise schwierig ist. So leidet sie in den unterschiedlichsten Situationen unter Flashbacks, in denen sie die Vergewaltigungen durch den Sheriff und seine Bande (siehe Teil 1) immer wieder durchlebt. Sie besucht eine Selbsthilfegruppe für Opfer von sexueller Gewalt und freundet sich dort mit einer anderen Teilnehmerin an. Gemeinsam schaffen sie es, sich etwas Halt zu geben, allerdings neigen sie auch hier schon zur Selbstjustiz und bedrohen und erniedrigen Männer, die in ihren Augen Vergewaltiger sind. Als ihrer Freundin schliesslich etwas zustösst, lässt Jennifer alle Grenzen hinter sich....
Immerhin muss man den Machern von I SPIT ON YOUR GRAVE 3 zugestehen, dass sie sich Gedanken gemacht haben, wie man die Storyline des Remakes einigermaßen sinnvoll weiterspinnen kann. Die Idee mit der Selbsthilfegruppe funktioniert erstaunlich gut und bietet natürlich ausreichend Stoff für umfangreiche Racheaktionen. Auf diesen beruht dann auch der Großteil der im Film gezeigten Gewalt, denn der Rape-Teil wurde quasi auf Null heruntergefahren. Zwar wird viel über Vergewaltigungen und Missbrauch gesprochen, faktisch zu sehen bekommt man aber nichts von beidem (ausser in einer Szene, und da ist die Sache, sagen wir mal, mit "verkehrten Rohren" ...äh, 'tschuldigung, meinte natürlich "verkehrten ROLLEN", dargestellt!). Nun haben mich bei den beiden Vorgängerfilmen (vom 1978er-Original ganz zu schweigen) die breit ausgewalzten sexuellen Übergriffe eher gestört denn begeistert, und so stellt deren Fehlen für mich einen klaren Pluspunkt dar. Auch ist der Film durchweg spannend und professionell inszeniert, und auf schauspielerischer Seite gibt es, zumindest in den grösseren Rollen, nichts zu bemängeln. Einige Nebendarsteller bilden da eine etwas unrühmliche Ausnahme, aber im Grossen und Ganzen stört es den Filmfluss und den Unterhaltungswert nicht wirklich. Das liegt vor allem an der tollen Leistung von Sarah Butler, die hier zwar mit weniger Körpereinsatz spielt wie 2010, aber eine nicht minder intensive Darstellung abliefert und so für manch fehlbesetzte Nebenrolle mehr als entschädigt. Sie macht die innere Zerrissenheit der Figur Jennifer Hills' immer wieder deutlich, hin- und hergerissen zwischen Angst und Rache, zwischen dem Wunsch nach einem ruhigen Leben und dem Durst nach Vergeltung.
Der Revenge-Teil ist diesmal nicht so geschlossen wie in den anderen Filmen, die ja mehr oder weniger in 3 Akte zerfallen (Einleitung, Rape, Revenge). Vielmehr gibt es hier über die Laufzeit verteilt immer wieder Gewalteruptionen, die in Sachen Härte und Kompromisslosigkeit wieder einmal fast ihresgleichen suchen. Allerdings sind sie nicht so breit ausgespielt wie in den beiden vorigen Streifen (insbesondere Teil 2), was in meinen Augen, neben einer grundsätzlich etwas gelockerten Freigabepolitik der FSK, der Grund ist (neben dem im aktuellen Film sehr gering ausfallenden Rape-Part, versteht sich!), warum I SPIT ON YOUR GRAVE 3 für die KJ-Freigabe noch nicht einmal um 1 Minute gekürzt werden musste, während bei den ersten beiden Teilen 13 bzw. 16 Minuten weichen mussten.
So weit so gut, aber einige Kritikpunkte gibt es leider auch, denn ein perfekter Film ist I SPIT ON YOUR GRAVE 3 nicht geworden. Zum einen wäre da die vollkommen unreflektierte Lobpreisung der Selbstjustiz. Nicht falsch verstehen, ich steh auf solche (Mach-) Werke, und ein bisschen Blutrache hat noch keinem Film geschadet, aber hier war es mir stellenweise ZU plakativ. Es wird zu keiner Zeit auch nur im Ansatz hinterfragt, ob die angewendeten Mittel denn vertretbar sind (eine Frage, die in den meistens Selbstjustiz-Streifen zumindest angerissen wird). Wie gesagt, ist bestimmt Auslegungssache, und vielleicht ist mir ja auch etwas nicht aufgefallen, aber es war mir einfach etwas too much. Genauso wie das Männerbild, dass hier propagiert wird. Ich bin nun bestimmt kein Verfechter der Gleichberechtigung in Horrorfilmen, und wir Männer werden in diesen ja oft etwas, äh, "einseitig" dargestellt, aber in I SPIT ON YOUR GRAVE 3 gibt es eigentlich nur 2 Arten von Männern: auf der einen Seite der brutale Macho aka Serienvergewaltiger, und auf der anderen Seite den totalen Weichling, der die Frauenwelt (hier: Jennifer Hills) auffordern muss, in seinem Namen Rache zu nehmen, und der natürlich am Ende
#SPOILER#
Selbstmord begeht, um ihren Namen rein zu waschen und die Schuld auf sich zu nehmen.
#SPOILER ENDE#
Mich stört hier weniger, dass es um Männer geht, ich fühle mich also nicht auf den Schlips getreten, weil dieser Film die Vielschichtigkeit des männlichen Wesens ignoriert. Vielmehr stört mich eine in solch einer Penetranz vorgetragene Charakter-Simplifizierung immer, egal ob es sich um Männer, Frauen oder Hamster handelt!
Aber halb so schlimm, schließlich weiß man(n) ja irgendwie, auf was man sich einlässt, wenn ein Film wie I SPIT ON YOUR GRAVE 3 im Player landet. Ich wollte diese beiden Punkte nur erwähnt haben, denn diese haben eine höhere Wertung des Films von meiner Seite aus verhindert.
Fazit
I SPIT ON YOUR GRAVE 3: VENGEANCE IS MINE ist eine grundsolide Fortsetzung, die einiges richtig (Spannungsbogen; Goregehalt; technische Umsetzung; Darstellung der Hauptfigur) und auch falsch (Charakterzeichnung abgesehen von der Hauptfigur; wenig Selbstreflektion, obwohl in der Storyline durchaus möglich gewesen; nahezu bodenlose Vereinfachung der handelnden Personengruppen) macht. Dass der Film, was den Unterhaltungswert angeht, dennoch überdurchschnittlich ist, liegt in meinen Augen an der guten und interessanten Ausgangssituation, die durchaus gekonnt den Faden des 1. Teils aufnimmt und so weiterspinnt, dass man als Zuschauer mehr erfahren möchte. Zudem ist er weniger episodenhaft als die beiden Vorgänger, da der Drehbuchautor sich merklich Mühe gegeben hat, eine kompaktere Geschichte zu erzählen. Wer auf ausgedehnte Vergewaltigungssequenzen verzichten kann, oder sogar froh ist, darauf verzichten zu dürfen, wird dem Film noch ein paar Pluspunkte verteilen. Insgesamt eine Empfehlung von mir...mit ein paar Abstrichen, versteht sich.
7/10