Schachnovelle
Herstellungsland: | Deutschland (1960) |
Standard-Freigabe: | FSK 12 |
Genre: | Drama |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 9,00 (1 Stimme) Details |
Inhaltsangabe:
Dem Wiener Rechtsanwalt Dr. Werner von Basil (Curd Jürgens) gelingt es kurz vor dem nationalsozialistischen Einmarsch in Österreich, eine Reihe von Kunstgegenständen ins Ausland zu schmuggeln. Für diese Tat wird er mit wochenlanger Isolationshaft bestraft. Auf dem Weg ins Gefängnis kann er jedoch ein Buch entwenden, bei dem es sich um die Beschreibung von 150 Schachmeisterschaftsspielen handelt. Mit Hilfe eines karierten Tischtuches und entsprechend gekneteter Brotkrumen stellt Basil die einzelnen Züge in seiner Zelle nach. Das Schachspielen wird für ihn zur Besessenheit. Als er sich in Sicherheit vor den Nazis auf einem Passagierdampfer nach Amerika befindet, kann er nicht widerstehen, den zufällig an Bord anwesenden Schachweltmeister Centowic (Mario Adorf) zu einem Duell herauszufordern... ()
Schach ist ein faszinierendes Spiel. Ich kann zwar nicht behaupten, das ich es sonderlich gut beherrsche, kann mich aber gleichwohl dafür begeistern. Kein Wunder also, dass mich auch Filme grundsätzlich interessieren, in denen Schach eine Rolle spielt. Der erste diesbezügliche filmische Vertreter, der mich seinerzeit in seinen Bann zog, war Carl Schenkel's "Knight Moves" aus dem Jahr 1992, den ich auch heute noch recht ansprechend finde. Viel später folgte sodann "Schachnovelle", den ich, trotz seines ungleich früheren Erscheinungsjahres, erst vor wenigen Jahren erstmalig gesehen und sehr zu schätzen gelernt habe.
Gerd Oswald (Das war Mord, Mr. Doyle, 1957, Das Todesauge von Ceylon, 1963) verfilmte 1960 die gleichnamige Novelle des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig aus dem Jahr 1942. Die "Schachnovelle" war eines der letzten Werke von Zweig. Es entstand in seinem Exil in Brasilien, wohin er auf der Flucht vor den Nationalsozialisten ausgewandert war. Noch im gleichen Jahr beging Stefan Zweig, von schweren Depressionen gepeinigt, Selbstmord, nachdem ihm die Entwurzelung von seiner geistigen Heimat jegliche Kraft und seinen Lebenswillen geraubt hatte. Vor diesem Hintergrund muss man auch den Inhalt der Verfilmung der "Schachnovelle" sehen.
Der angesehene Wiener Rechtsanwalt Dr. Werner von Basil (Curd Jürgens) trifft auf der Flucht vor den Nationalsozialisten auf seiner diesbezüglichen Schriffsreise nach Amerika auf den amtierenden Schachweltmeister Mirko Centowic (Mario Adorf) und bestreitet mit ihm eine Schachpartie, in der er Centowic in arge Bedrängnis bringt. Jedoch ist offensichtlich, dass von Basil schwer traumatisiert ist und dass die Schachpartie alte Wunden wieder aufgerissen hat ... Rückblende: Wien 1938: Die Nationalsozialisten sind in Wien einmarschiert und sind allgegenwärtig. Hakenkreuze sind an den Wänden zu sehen, der Hitlergruß wird gezeigt, und aus dem Radio erklingt auf allen Sendern Nazi-Propaganda. Dr. Werner von Basil (Curd Jürgens), wird gefangen genommen und in Isolationshaft verbracht. Seine offene Ablehnung der Nationalsozialisten ist diesen ein Dorn im Auge, zudem hat von Basil der Kirche geholfen, wertvolle Kirchenschätze außer Landes in Sicherheit zu bringen. Die Nationalsozialisten wollen ihn zum Sprechen bringen, und sein Martyrium wird Monate dauern. Der zuständige Gestapo-Mann Hans Berger (Hansjörg Felmy) hat seine ganz eigene Methode, Geständnisse zu erzwingen, die bislang noch immer funktioniert hat: er glaubt, dass Gewalt gerade "bei intellektuellen Menschen", wenig Erfolg verspricht, vielmehr müsse man diese geistig aushungern und ihnen "die geistige Nahrung entziehen". Und so wird von Basil in einem kargen Raum in ebenjenem Wiener Hotel "Metropol" eingesperrt, in dem er noch in der gleichen Nacht auf einem Ball zu Gast war und das den Nationalsozialisten fortan als Kommandozentrale dienen soll. Es entwickelt sich ein Psycho-Duell, in dem sich von Basil widerstandsfähiger erweist, als von Berger zunächst gedacht. Ausschlaggebend hierfür ist ein Buch, an das von Basil zufällig gelangt ist und das den Verlauf von 150 Schach-Meisterschaftsspielen wiedergibt. Das Buch stellt für von Basil die einzige und von ihm dringend ersehnte geistige Nahrung dar, um innerlich nicht komplett zu zerbrechen. Mit Hilfe von Brotstücken, aus denen er Schachfiguren formt, spielt er in seinem Gefängnis immer und immer wieder die Schachpartien nach. Und so verstreichen mehrere Wochen ergebnislos und Berger gerät mehr und mehr unter Druck seines Vorgesetzten Hartmann (Albert Lieven).
"Schachnovelle" zieht den geneigten Zuschauer schnell in seinen Bann und bezieht seine Faszination vor allem aus dem Duell zwischen von Basil und Berger, das auch ohne die eigentlich zu erwartenden körperlichen Greueltaten seine Wirkung auf den Zuschauer nicht verfehlt. Dass beide auch noch um die gleiche Frau konkurrieren, steigert die Intensität dieses Duells nochmals. Die schauspielerischen Leistungen von Curd Jürgens und Hansjörg Felmy sind überragend. Insbesondere Curd Jürgens (Luftschlacht um England, 1969, Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, 1969, James Bond 007 - Der Spion, der mich liebte, 1977) gelingt es, die Facetten des Dr. von Basil und seine Wandlung vom selbstbewussten, unerschrockenen und bisweilen sarkastischen Intellektuellen hin zum langsam in den Irrsinn abdriftenden und schlussendlich gebrochenen Menschen äußerst eindrücklich darzustellen. Die sarkastischen Momente, in denen von Basil seinen pausbäckigen Wärter als "Mondgesicht" bezeichnet und diesem mitteilt, er, von Basil, brauche heute keine Rasur mehr, da es regne und er deshalb eh nicht mehr ausgehen wolle, verleihen dem ansonsten durchgehend tragischen Werk den ein oder anderen Schmunzler.
Hansjörg Felmy (Die Buddenbrooks, 1959, Der zerrissene Vorhang, 1966, Tatort-Kommissar Haverkamp in den 70'er Jahren, sowie die wohl von uns allen geliebte und später schmerzlich vermisste erste Synchronstimme von Roy Scheider in "Der weiße Hai") steht ihm indes kaum nach. Er verkörpert den vielleicht sogar faszinierendsten Charakter des Films, nämlich einen Typus Mensch, der vordergründig zwar stets freundlich und kultiviert auftritt, jedoch nie einen Zweifel offen lässt, wie eiskalt und gefährlich er, gerade durch seine Intelligenz, eigentlich ist. Er ist es auch, der für die besonders zynischen Momente zuständig ist, etwa wenn er geradezu beiläufig perfide über seine Methode plaudert, "Intellektuellen die geistige Nahrung zu entziehen", oder etwa wenn er anwesenden Verdächtigen mitteilt, sie könnten fürs Erste nach Hause gehen und Ihnen nonchalant anbietet "wenn Sie keine Fahrgelegenheit haben, kann ich dafür sorgen, dass Sie abgeholt werden", was diese wiederum mit eiligem Verlassen des Raumes quittieren.
In weiteren Rollen gefallen Claire Bloom (Bis das Blut gefriert, 1963, Kampf der Titanen, 1981, Daylight, 1996) als von Basil's große Liebe Irene Andreny, Dietmar Schönherr (Sanders und das Schiff des Todes, 1964, Kommissar X - Drei gründe Hunde, 1967) als von Basil's bischöflicher Freund, sowie Albert Lieven (Die Kanonen von Navarone, 1961, Der Gorilla von Soho, 1968) als Vorgesetzter des Gestapo-Mannes Berger. Besonders zu erwähnen ist natürlich Mario Adorf (Winnetou 1, 1963, Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe, 1970, Der Tod trägt schwarzes Leder, 1974), als arrogant-gelangweilter Schachweltmeister Mirko Centowic. Auch wenn der Charakter Centowic's hier sicherlich etwas überzogen dargestellt wird und ein gewisses Overacting von Mario Adorf augenfällig ist, macht dies gerade das finale Schachspiel für den Zuschauer so reizvoll.
Für die Kamerarbeit zeichnete Günther Senftleben verantwortlich. Diese fällt angenehm ruhig und unaufgeregt aus, weiß jedoch auch mit der ein oder anderen interessanten Perpektive Akzente zu setzen, etwa, wenn von Basil belastende Dokumente verbrennt und die Kamera ihn aus dem Inneren des brennenden Kamins heraus dabei beobachtet. Die musikalische Untermalung von Hans-Martin Majewski ist sehr reduziert und recht spärlich vorhanden, was ich jedoch ausdrücklich nicht als Minuspunkt verstanden haben möchte, denn sie passt insgesamt sehr gut zur "Schachnovelle".
Das titelgebende Schachmotiv ist in dem Film immer wieder optisch gegenwärtig. Das beginnt bereits mit dem bereits ensprechend gestalteten Vorspann, des weiteren ist der Fußboden des Hotelfoyers als Schachbrettmuster angelegt, und sogar die Bettdecke in von Basil's Gefängnis weist ein Schachbrettmuster auf und dient ihm fortan als provisorische Spielfläche.
Noch erwähnenswert:
- "Schachnovelle" war der deutsche Filmbeitrag zur Biennale 1960 in Venedig
- Man muss kein Schach-Experte sein, oder sich überhaupt nur für dieses Spiel interessieren, um sich an den Film heranwagen zu können. Obgleich das Schachspiel allseits prägend für den Film ist, ist es für das Filmverständnis des Zuschauer nicht von besonderem Belang, vielmehr dient es meines Erachtens als Symbol oder Metapher für das Duell Gut gegen Böse, Weiß gegen Schwarz, oder wie auch immer man dies interpretieren mag
- Das Lexikon des Internationalen Films führt aus, dass "Schachnovelle" "vom Thema her packend und zunächst von starkem Eindruck, bei näherem Zusehen jedoch nur in Einzelleistungen überzeugend" sei. "Im Ergebnis nicht mehr, als ein effektvolles Gesellschaftsspiel". Eine Sichtweise, der ich mich nicht anschließen kann.
Fazit:
"Schachnovelle" ist ein faszinierendes Stück deutscher Filmgeschichte, getragen von einem packenden Psychoduell zweier großer Schauspieler, das den geneigten Zuschauer, trotz der insgesamt behutsamen, unspektakulären Inszenierung, sehr schnell und durchgehend für sich einnimmt. Geadelt wird der Film schlussendlich von großartigen schauspielersichen Leistungen. Als kleinen Kritikpunkt habe ich eigentlich nur anzumerken, dass es wohl recht unrealistisch sein mag, einen Schachweltmeister mittels innerhalb weniger Monate selbst beigebrachten und ausschließlich anhand eines Buches erworbenen theoretischen Kenntnissen derart in Bedrängnis zu bringen. Passend hierzu ist übrigens einer der letzten Sätze in dem Film, als von Basil zu Centowic sagt: "Dieser Springer, den ich vor einem Augenblick gegen Sie zog, war die erste Schachfigur, die ich in meinem Leben jemals berührt habe". Hat man als Zuschauer diese Kröte jedoch geschluckt, sollte dem nostalgischen Filmvergnügen nichts mehr im Wege stehen.
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Kommentare
11.04.2016 10:57 Uhr - NoCutsPlease |
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11.04.2016 13:00 Uhr - cecil b |
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![]() Moderator ![]() ![]() |
Eine wahre Meisterleistung!
Toll eingeteilt! Eine hochinteressante, ungewöhnliche Auswahl! Hut ab! |
11.04.2016 23:58 Uhr - Mynan |
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Vielen Dank, ihr beiden, für die netten Worte. Es freut mich, dass euch die Kritik gefallen hat.
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13.04.2016 13:10 Uhr - JasonXtreme |
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![]() DB-Co-Admin ![]() ![]() |
Saugut! Mehr kann man da wirklich nicht sagen!
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13.04.2016 17:06 Uhr - Mynan |
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Danke Jason, das Lob freut mich sehr.
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