Serienkillerfilme gibt es wie Sand am Meer. Der eine besser, der andere schlechter. Unter den absoluten Klassikern gelten unter anderem „Maniac (1980)“, „Henry Portrait Of A Serial killer (1986)“. Der jetzt besprochene Beitrag namens „I Saw The Devil“ oder wie er im Original „Angmareul boatda“ genannt wird ist ein Rachethriller aus Nordkorea aus dem Jahr 2010 und gehört zum Besten, was sich in letzter Zeit in diese Richtung bewegt. Der verantwortliche Regisseur ist Kim Ji-woon, der zum Beispiel mit Filmen wie „Bittersweet Life (2005)“, „The Good, the Bad, the Weird (2008)“ bekannt wurde. Das Ergebnis ist ein brutaler Genrebeitrag der es definitiv verdient hat, gesehen zu werden. Der Streifen hatte aufgrund der heiklen Thematik seine erwarteten Probleme bei den Prüfern der FSK, die Ihm nicht überraschend eine Kennzeichnung verweigerten. Die Internationale Fassung, die in Deutschland mit dem Gutachten eines unabhängigen Juristen erschienen ist, ist unzensiert und beinhaltet im Vergleich zur koreanischen Kinofassung mehr Gewalt und anstößige Dialoge. Ob sich die private Anschaffung lohnt zeigt die folgende Kritik.
Die Story dreht sich um den brutalen Mord an Yoo – Yeon die Frau des Geheimagenten Soo - Hyeon, deren Leben durch einen fatalen Angriff von dem Serienkiller Kyung – Chul auf grausame Weise beendet wird… Was wie ein simpler Serienkiller/Terror film aussieht entpuppt sich als ein weitaus tiefgründiger Streifen, der dem Zuschauer mit knüppelharten Goreeinlagen schockt und eine erschreckende Charakterstudie zu den sadistischen Mechanismen beisteuert. Neben den psychologischen agierenden Komponenten die die fesselnde Handlung mit der nötigen Tiefe versehen, werden die Sinne des Publikums mit pointiert performativen Angriffen penetriert, die hervorragend mit dem düsteren Hauptthema fusionieren. Die Kombination aus Thriller, Drama und Horrorelementen findet mit einer perfekt abgestimmten Dosierung statt und führt dazu, dass diese aufgrund der inszenatorischen Finesse noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Der Cast besteht unter andrem aus Lee Byeong-heon der den Part des Geheimagenten und Ehemannes Kim Soo-hyeon übernimmt. Bekannt ist unter anderem aus „Bittersweet Life (2005) “, „The Good, The Bad, the Weird (2008) “und „G.I. Joe: The Rise of Cobra (2009). Seine Performance als rachesüchtig gewordenen Monster ist super und überzeugt in ihren vielfältigen Facetten. Die Rolle des sadistischen Serienmörders Jang Keyong-cheol wird von Choi Min-sik gespielt und ihm wie aus dem Leib geschnitten. Bekannt aus Filmen wie „Oldboy (2003)“, Brotherhood (2004)“ und „Lady Vengeance (2005)“. Seine Verkörperung des geistesgestörten Triebtäters ist beeindruckende und erschreckend zu gleiche Zeit. Die beiden bieten die beste Performance im ganzen Film und spielen jeden gegen die Wand. Die schauspielerische Leistung ist durch die Bank als grandios zu bezeichnen. Gerade weil die Charaktere mit so viel Liebe zum Detail gezeichnet wurden, funktionieren die psychisch agierenden narrativen Komponenten so gut im Gesamtkontext.
Das Grundgerüst dieses erdrückenden Miststückes besteht aus einer simpel aufgebauten Struktur, die jeden Raum an Effektivität bis zur äußersten Schmerzensgrenze ausdehnt. Der Kern der Erzählung behandelt auf abschreckende Art und Weise die Entwicklung eines friedlich und moralisch konnotierten Menschen, der durch ein tragisches Erlebnis zu einem rachesüchtigen Monster wird und Schritt für Schritt immer tiefer einer endlosen Gewaltspirale gezogen wird. Das „Aus dem Jäger wird der Gejagte – Prinzip“ wird mit all ihren Aspekten für eine kraftvolle Realisierung genutzt und verschwendet keine Zeit mit Unwichtigkeiten, die dem Gesamtbild schaden könnte. Andere Subtexte im Verlauf der Erzählung finden sich zum Beispiel durch Ansätze der Kannibalen Thematik und der niederschmetternden Konsequenz, eines solchen Racheakts wieder. In vielen Vertretern dieses Genres ist es oftmals der Fall, dass der Hauptprotagonist nach Vollziehung seiner Rache als Held darsteht . Einige Ausnahmen finden sich unter anderem in „Sieben (1995)“, „Death Sentence (2007)“ und „Killers (2014)“. Der Film bezieht klare Stellung zum Thema und verdeutlicht, dass ein solcher Akt egal wie gerechtfertigt er auch ist nichts daran ändert, dass die Liebenden deswegen nicht wieder zurück ins Leben kommen.
Der ständige Rollenwechsel von Sympathieträger und Abschaum beider Parteien sorgt dafür, dass das Publikum oftmals Zwiegestalten ist und nicht sich oft nicht sicher ist, wem der beiden Hauptcharaktere er nun für dessen Taten lieben oder hassen soll. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass die abgefuckte Personalität des Serienkillers als Metapher für die dunkle Seite des eigentlichen Sympathieträgers steht, die im späteren Verlauf seiner charakterlichen Veränderung voll zur Geltung kommt, als dieser sich nach Vollendung der Prozedur auf dem gleichen Level wie der Täter befindet. Der gestörte Triebtäter steht im metaphorischen Sinne des Filmkontextes für eine gebrochene Existenz, die als Fremdkörper in der für normalen Verhältnisse konnotierten Gesellschaft angesehen wird. Die in dem Gesamtbild integrierte Spannung ist optimal an das Tempo der Handlung angepasst und kann den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute an den Bildschirm fesseln. Bereits in der Eröffnung zeigt der Regisseur, wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Das Katz und Mausspiel zwischen dem Geheimagenten und dem Killer ist fabelhaft und unterstreicht durch die offengelegten Sichten beider Parteien die Vorgehensweise – als auch die aus den Ereignissen resultierenden Veränderungen, die in jedem Augenblick nachvollziehbar sind.
Zu Langeweile kommt es nicht, weil das dunkle Gesamtbild durch eine abwechslungsreiche Inszenierung glänzt. Dadurch, dass die Waagschale von Szene zu Szene mal auf Seiten des Agenten und mal auf Seiten des Psychopathen steht trägt wird der Suspensefaktor stark angehoben weil man als Zuschauer nie genau weiß, wer momentan die Oberhand besitzt. Die Schauplätze sind erste Klasse und zeigen über was für ein gutes Auge der Regisseur verfügt. Von verschneiten Landschaften, isolierten Wohnungen, Kerkerartige Höhlen und schönen Aufnahmen der Innenstadt ist alles dabei. Die innovativen Set Gestaltungen sind für die finstere Thematik wie gemacht und zeigen auf bedrückende Weise wie sich das dekonstruktive Verhalten der beiden Persönlichkeiten auf die Umgebung auswirken. Die Locations bestechen durch Ideenvielfalt und nahtlosen Szenenübergängen, die das pessimistische Weltbild ohne Rücksicht auf Verluste auf das schauende Auge überträgt. Für die brillante Kameraarbeit ist Moa-gae Lee verantwortlich. Sowohl in den ruhigen als auch den aufwühlenden Augenblicken wird aus dem in Verbindung stehenden Orten das Maximum an Intensität herausgeholt.
Die Set Beleuchtung wie auch die Farbpaletten sind atemberaubend und unterstreichen neben den Einsatz von Schatten auch die konstante Gefahr in der sich die Protagonisten befinden. Wenn man eine bestimmte Atmosphäre erschaffen möchte, ist die musikalische Untermalung ein entscheidender Faktor. Die komponierte Musik von Mowg ist einfühlsam und spiegelt den Zustand der psychisch zerrissenen Charaktere die am Abgrund der menschlichen Seele lokalisierbar sind fabelhaft wieder. Die Wirkung der physisch agierenden Momente die die gesamte Menge an angestauten Hass – und Wutgefühlen rauslassen ist eindringlich und verfehlt nie ihre gewünschte Wirkung, weil sie mit all ihren Momenten immer ins Schwarze treffe und die Intensität des realisierten Gesamtbildes in jedem Zeitpunkt stets treffend pointieren. Die knüppelharte Grundstimmung bleibt im ganzen Verlauf bestehend, auch wenn vereinzelte zu Einschüben von staubtrockenen Humoreinlagen kommt.
Eine der Gründe für die Freigabenverweigerung seitens der FSK war nicht nur die negativ konnotierte Grundstimmung, sondern auch das Maß an sexualisierter Gewaltdarstellung. Diese ist mit dem emotionalen Grat der verstörenden Natur gleich zu setzten und verleiht den bedeutungsvollen Schlüsselszenen die nötige Tiefe. Die Dosierung von On – und Off Screen Einstellungen sind wohl überlegt und zeigen neben expliziten Details auch Andeutungen die einem dazu zwingen, sich die grausamen Szenarien im eigenen Kopf vorzustellen. Die Konfrontationen zwischen dem Killer und dem Geheimagent sind in jeder Sekunde fesselnd und geizen nicht vor schmerzhaften Bildern. Neben Hieb und Stichwaffen kommen auch vereinzelt Schusswaffen zum Einsatz und geben diesem fiesen Geniestreich von Miststück die passende Abwechslung. Die Gewalt spielt eine wichtige Rolle, weil Sie ein Stellvertreter für den seelisch manifestierten Schmerz der beiden Hauptprotagonisten ist und nicht den Fehler macht, zum puren Selbstzweck zu verkommen.
Fazit: Mit „I Saw The Devil“ hat Regisseur Kim Ji-woon einen extrem brutalen sowie emotionalen Rachetriller zum Leben erweckt, der meiner Meinung eines der überzeugendsten Beiträge der letzten in diesem spezifischen Genre darstellt. Von der guten Story, den guten Darstellern, den Schauplätzen als auch dem Soundtrack und der spürbaren Härte macht dieser Film alles richtig. Wer nichts gegen expliziten Einlagen hat und einen interessanten als auch intensiven Rachefilm sucht, bekommt mit diesem Werk alles geboten, was er braucht. Klare 10/10 Punkte.
*Der Begriff Performativ ist den Büchern von Prof. Dr. Marcus Stiglegger entnommen.
10/10