DER SPION, DER MICH LIEBTE
Drei Jahre mussten vergehen, bis nach Der Mann Mit Dem Goldenen Colt (1974) ein neuer James Bond – Film in die Kinos kam. Angesichts des milde enttäuschenden Einspielergebnisses des zweiten Moore – Bonds wollte man anscheinend alles richtig machen, was man beim Vorgänger versaut hatte, schließlich feierte man mit dem nächsten Bond ein Jubiläum: Er war der zehnte Teil der Serie. Außerdem musste Bond – Produzent Albert R. „Cubby“ Broccoli den nächsten Film alleine stemmen, da sein Co – Produzent Harry Saltzman die Bond – Reihe aus persönlichen Gründen verlassen hatte.
Der Titel des nächsten James Bond – Abenteuers lautete Der Spion, Der Mich Liebte. Mit diesem Roman war Ian Fleming so unzufrieden, dass er verfügt hatte, dass man zwar dessen Titel, aber keine Teile der Handlung benutzen durfte. Das stellte aber kein Problem dar, da die Macher der Filme ohnehin sehr frei mit den literarischen Vorlagen umgingen.
Die Devise des Jubiläums – Bonds lautete: „think big!“. Man beauftragte eine ganze Reihe von Autoren mit dem Verfassen des Drehbuchs, doch kein Entwurf fand die Zustimmung von Broccoli und Regisseur Lewis Gilbert, der sein Bond – Debut mit Man Lebt Nur Zweimal (1967) gegeben hatte und nun erneut verpflichtet worden war. Also musste Haus – und Hof – Autor Richard Maibaum mal wieder ran, allerdings war dessen Drehbuch zu politisch, weshalb das Skript auf Wunsch von Lewis Gilbert noch einmal von Christopher Wood (Remo – Unbewaffnet Und Gefährlich, 1985) überarbeitet wurde.
Roger Moore spielte hier zum dritten Mal die Rolle des Agenten mit der Lizenz zum Töten zum dritten Mal. Neben den bereits in den vorigen Reviews genannten „üblichen Verdächtigen“ gab es einmal mehr eindrucksvolle Neuzugänge. So ging die Rolle des Bondgirls – bzw. sidekicks an Barbara Bach (Ein Mann Schlägt Zurück, 1975), deren Anya Amasova alias Triple X zu den schönsten und denkwürdigsten Frauenfiguren der Bond – Geschichte gehört. Die Rolle des Schurken Karl Stromberg ging an den „normannischen Kleiderschrank“ Curd Jürgens (Des Teufels General, 1955), einen der größten Bühnen – und Filmschauspieler seiner Zeit. Ein weiterer Coup war die Verpflichtung des 2,17 Meter großen Richard Kiel, dessen Beißer (Im Original „Jaws“) der neben Oddjob wohl bekannteste und populärste Handlanger eines Bondschurken überhaupt werden sollte. In einer weiteren einprägsamen Rolle als Schurkin trat Caroline Munro auf, die sich mit Gruselfilmen wie Dracula Jagt Mini – Mädchen (1972) und Die Rückkehr Des Dr. Phibes (1972) einen Namen gemacht hatte und später die weibliche Hauptrolle in Maniac (1980), einem der berüchtigtsten Horrorfilme überhaupt mitspielte.
Kamen die bisherigen Moore – Bonds mit einem Budget von sieben Millionen Dollar aus, so investierte man in Der Spion, Der Mich Liebte satte 14 Millionen Dollar. Ein weiteres Zeichen dafür, wie ernst man das Projekt nahm. Diese Summe ermöglichte nicht nur Dreharbeiten in (u.a.) Großbritannien, Kanada, Ägypten, Japan und auf den Bahamas, sondern auch den Bau der bis dahin größten Filmhalle der Welt, die 007 Halle, und das Entwerfen atemberaubender Kulissen, für die man Produktionsdesigner Ken Adam (u.a. Goldfinger, 1964 / Man Lebt Nur Zweimal, 1967) reaktivierte, der mit diesem Film eine seiner imposantesten Arbeiten leistete – man denke nur an Strombergs Unterwasserfestung. Auch was die Bond – Gadgets anging, schöpfte man diesmal wieder richtig aus den Vollen – der tauchfähige Lotus Esprit dürfte die neben Bonds Aston Martin aus Goldfinger (1964) die wohl eindrucksvollste Karosse sein, mit der der berühmteste Geheimagent der Welt die Straßen unsicher gemacht hat. Man merkt – Der Spion, Der Mich Liebte ist ein Film der Superlative. Aber hat sich der ganze Aufwand gelohnt? Und kann der Film die Fans nach dem eher enttäuschenden Mann Mit Dem Goldenen Colt wieder versöhnen?
Zunächst die Handlung: Ein britisches und ein russisches Atom – U – Boot verschwinden spurlos. Die Geheimdienste beider Länder beauftragen ihre besten Agenten mit der Suche nach den U – Booten: James Bond (Roger Moore) und Anya Amasova alias Triple X (Barbara Bach). Nachdem die beiden zunächst gegeneinander arbeiten, beschließen die Briten und die Russen ein Bündnis zwischen Bond und Asamova. Ihre Spur führt zu Reeder Karl Stromberg, der vom Meer besessen ist und ein einer Unterwasserfestung lebt. Das Pikante an der Mission: Bond hat vor Kurzem Amasovas Geliebten getötet, weshalb sie geschworen hat, Bond nach Erledigung der Mission umzubringen …
Der Spion Der Mich Liebte ist jeden Cent seines Budgets wert und in der Tat ein würdiger Jubiläums – Bond. Und nicht nur das: Der Spion, Der Mich Liebte ist (neben In Tödlicher Mission, 1981) Roger Moores bester Bondfilm, der auch aus heutiger Sicht perfekte Unterhaltung bietet, und den man sich jederzeit anschauen kann – vorausgesetzt man kann sich damit anfreunden, dass Roger Moores Bond sich radikal von der Connery – Version unterscheidet.
Das Wichtigste zuerst: Roger Moore hat hier endlich hundertprozentig Fuß gefasst in der Rolle des James Bond. Auch wenn nicht wenige Connery – Fans Probleme damit hatten, ist Moore hier – und das ist nicht negativ gemeint – der „Spaß – Bond“, der mit einem Drink in der einen Hand und mit einer schönen Frau in der anderen quasi nebenbei die Welt rettet und keine noch so große Gefahr allzu ernst nimmt. Atom – U – Boote, mit denen man das Ende der Welt herbeiführen kann? Es könnte schlimmer sein! Eine rachsüchtige Agentin will mich nach Erledigung unseres Auftrags umbringen? Ficht mich nicht an – letzten Ende erliegen sie doch alle meinem britischem Charme. Außerdem gibt Moore in Der Spion, Der Mich Liebte mehr trockene Sprüche zum Besten als in beiden Vorgängern zusammen – hier lohnt es sich, auch mal die englische Fassung zu sehen, bzw. zu hören, da sich die Oneliner in der deutschen und englischen Version doch stark voneinander unterscheiden.
Aber Der Spion, Der Mich Liebte wäre ohne Barbara Bach als Bondgirl nur die Hälfte wert, wobei die Bezeichnung „Bondgirl“ hier im Grunde fast schon eine Beleidigung ist. Die von Bach bravourös dargestellte Anya Amasova ist kein höriges Betthäschen und auch keine Nervensäge wie einige der Damen, mit denen Bond in den beiden Vorgängern zu tun hatte, sondern eine selbstbewusste, kämpferische Frau. Auch wenn Bond alles in allem die Oberhand behält und so mancher Witz auf Kosten der russischen Agentin geht, gibt es auch etliche Szenen, in denen Amasova Bond um eine Nasenlänge voraus ist. Das Zusammenspiel des Duos hat einen großen Anteil am Reiz und Unterhaltungswert des Films, vor allem, weil er bis zum Schluss die Frage offen lässt, ob Amasova ihren Racheplan verwirklicht oder nicht. Zudem zeigt Der Spion, Der Mich Liebte, wie fortschrittlich die Bond – Serie einmal war, da hier nicht nur Mann und Frau (nahezu) gleichberechtigt zusammenarbeiten – der Film zeigt auch eine Ost – West – Annäherung, was damals nicht selbstverständlich war, vor allem, wenn man bedenkt, wie „der Ivan“ im Actionkino der Achtziger Jahre, z.B. in Filmen mit Sylvester Stallone, dargestellt wurde – in Der Spion, Der Mich Liebte zeigte man das Ost – West – Verhältnis dagegen deutlich lockerer.
Aber auch die Gegenseite – Curd Jürgens und Richard Kiel – leistet ganze Arbeit. Der Deutsch – Österreicher überzeugt durch seine unterkühlte Ausstrahlung und verfügt über ein gewaltiges Charisma, das in jeder seiner Szenen sichtbar wird. Man könnte bemängeln, dass er „nicht so viel macht“ und auch nicht so extrovertiert ist wie sein berühmter Schurkenvorgänger Gert Fröbe, aber nichtsdestotrotz gehört Jürgens auch heute noch zu den besten und eindrucksvollsten Bondschurken überhaupt. Nicht weniger großartig ist Richard Kiel als Beißer, der Strombergs Mann für´s Grobe darstellt und nicht nur dank seines Stahlgebisses unheimlich bedrohlich wirkt. Auch seine Szenen gehören zu den Highlights von Der Spion, Der Mich Liebte. Und auch Caroline Munro überzeugt in ihrer Schurkinnen - Nebenrolle.
Der Spion, Der Mich Liebte setzte außerdem neue Maßstäbe im Bereich Action. Schaut man sich die Actionszenen des Films an, wirken Leben Und Sterben Lassen (1973) und Der Mann Mit Dem Goldenen Colt (1974) dagegen eher wie Aufwärmübungen. Schon die erste Actionszene, die mit temporeichen, von Willy Bogner Jr. beaufsichtigten Skifahrtsequenzen punktet und von einem der spektakulärsten Stunts der Filmgeschichte geadelt wird, gehört auch heute noch zu den atemberaubendsten Momenten der Actionfilmgeschichte. Und besagte Pre – Title – Sequenz ist nicht das einzige Actionhighlight des Films. So gibt es u.a. eine ausufernde Verfolgungsjagd, die alle Vorzüge des Lotus Esprit präsentiert und endlich wieder einmal einen richtig amtlichen Showdown in der Zentrale des Bösen. Bei all der Action kommt auch der Humor nicht zu kurz – so gibt es neben scharfzüngigen, witzigen Onelinern und Dialogen noch andere witzige Momente (z.B. einen netten Running Gag). Dabei gleitet Der Spion, Der Mich Liebte allerdings niemals in Albernheit aus und trotz des gesteigerten Humoranteils bleibt genügend Raum für richtig spannende Szenen.
Audiovisuell ist Der Spion, Der Mich Liebte ebenfalls ein Glanzstück. So führt Moores dritter Bond - Einsatz den Zuschauer wieder einmal um die halbe Welt und präsentiert dabei wieder einmal einige phänomenale Schauplätze wie die Pyramiden von Gizeh und die große Sphinx von Gizeh. Damals dürfte nicht gerade vielen Kinozuschauern vergönnt gewesen zu sein, an Orte wie diese zu reisen, weshalb die 007 – Filme damals etwas ganz Besonderes waren und man etwas von der Welt zu sehen bekam. Aber auch Ken Adams hat hier einige Sets für die Ewigkeit entworfen, wie z.B. Strombergs Unterwasserfestung. Die Sequenz, in der das spinnenartige Gebäude zu klassischer Musik aus dem Ozean auftaucht, ist ein perfektes Beispiel für das Zusammenwirkung von Kameraarbeit, Set Design und Musik und ein wirklich großartiger Moment. Und auch der Titelsong (Nobody Does it Better, gesungen von Carly Simon) ist ein wunderschönes Stück, das zu den besten Kompositionen gehört, die ein Bondfilm je zu bieten hatte.
Der Spion, Der Mich Liebte ist brillante Unterhaltung im besten Sinne des Wortes. Hier halten sich Action und Humor, Spannung und Leichtigkeit perfekt die Waage. Alles wirkt richtig dosiert und von den Schauwerten kann sich so manch aktueller Film auch heute noch eine Scheibe abschneiden. Ein echtes Highlight der Bond – Reihe. Bei der Bewertung des Films habe ich immer zwischen 9 und 10 Punkten geschwankt, aber nach einer erneuten Sichtung konnte ich im Grunde keinen echten Makel an Der Spion, Der Mich Liebte feststellen, weshalb ich doch zu einer 10 tendiere. OK, diese Note sollte (vielleicht) nur echten, unsterblichen Klassikern der Filmgeschichte vorbehalten sein und mancher so genannter Cineast dürfte angesichts der 10/10 - Wertung für Der Spion, Der Mich Liebte die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, aber für mich ist der Film ein Bond - bzw. Actionklassiker, der damals wie heute hervorragend überzeugt - das Publikum muss damals ebenso gedacht haben: Die 14 – Millionen – Dollar – Produktion spielte über 185 Millionen Dollar ein, wovon allein in den USA ca. 46 Millionen Dollar erwirtschaftet wurden. Die Reihe war wieder auf Erfolgskurs, Roger Moore hatte sich endgültig in der Rolle des James Bond etabliert und auch wenn nicht jede Kritik des Films positiv ausfiel, war das Publikum begeistert, weshalb Bond – wie es der Abspann ankündigte – sehr bald zurückkehrte …
10/10