Einen guten Regisseur zeichnet es in meinen Augen u.a. aus, wenn er in der Lage ist, unterschiedliche Stoffe in gleichbleibend ansprechender Qualität zu inszenieren. Jeremy Saulnier, seines Zeichnens Regisseur des hier besprochenen GREEN ROOM sowie des empfehlenswerten BLUE RUIN von 2014, hat dies bisher bravourös gemeistert. Zwar hat er bisher nur drei Filme (die beiden o.g. sowie MURDER PARTY VON 2007) inszeniert, jedoch ist sein Talent bei der internationalen Kritik unbestritten. Nun gebe ich zwar bei der Wahl meiner Favoriten meist nichts auf Kritikerstimmen, muss in diesem Fall aber in den allgemeinen Kanon des Lobes einstimmen. War BLUE RUIN noch ein elegischer, langsam inszenierter Revenge-Movie von ungeheuerer Intensität, präsentiert sich sein Nachfolger wesentlich actionorientierter, wenngleich er in ähnlich düsteren Gefilden schwelgt.
Allein die Grundstory, eine Punkband muss sich nach einem Konzert einer Bande Neo-Nazis erwehren, finde ich äußerst ansprechend. Sie ist zwar im Grunde nichts Neues, haben sich ähnliche Szenarien bereits seit den 70ern in Filmen wie ASSAULT - ANSCHLAG BEI NACHT abgespielt, dennoch gibt Saulnier dem Ganzen durch die Figurenkonstellation (Punkband vs. Neo-Nazis habe ich bisher zumindest noch nicht gehört) einen gewissen Drive. GREEN ROOM ist zudem deutlich "schneller" inszeniert als sein Vorgänger, ohne in eine einzige "Schnittorgie" auszuarten.
Ein weiterer, ganz grosser Pluspunkt ist in jedem Fall die Darstellerriege. Der vor kurzem tragisch und viel zu jung verstorbene Anton Yelchin (STAR TREK, ODD THOMAS) gibt in einer seiner letzten Rollen eine tadellose Performance ab und Imogen Poots, die schon Filme wie NEED FOR SPEED und FRIGHT NIGHT 3D ungemein aufgewertet hat, brilliert als Skinhead-Girl Amber. Die Schauspiel-Krone dieses Films geht allerdings an Patrick Stewart (Captain Picard aus STAR TREK: THE NEXT GENERATION). Seine Interpretation des Nazi-Anführers kann man nur mit zwei Worten beschreiben: beängstigend gut!
Beängstigend gut und vor allem teils wirklich extrem heftig sind die Gewaltszenen, die zwar nie über Gebühr ausgewalzt werden, jedoch auch mit blutigen Details nicht geizen. Sie ordnen sich allerdings jederzeit der Handlung unter, die spannend inszeniert und temporeich vorangetrieben wird, wobei Regisseur Saulnier immer wieder auch ruhige Momente einstreut, welche die Qualität des Films ungemein aufwerten, da sie entscheidend zur Charakterisierung der Hauptpersonen beitragen. Bei all der Gewalt gehen die Nazis, die die unglückselige Band belagern, dabei zwar äußerst brutal, aber vor allem strategisch und berechnend vor, was den Film von vielen anderen gleicher Machart abhebt, in dem die "Bösen" nur stur gegen das Versteck anrennen. Dieses planvolle Vorgehen verdanken sie allerdings vor allem dem von Stewart dargestellten Darcy Banker, der einfach ein eiskalter und berechnender Psychpath ist, was die anfangs sehr kultivierte Darstellung Stewarts' nur unterstreicht.
Aber auch die eingekesselte Band hat einige Ideen auf Lager (besonders gut: die Rückkopplung! Wer den Film gesehen hat, weiß, was ich meine!), so dass der Film vor allem eines niemals ist: langweilig! Im Gegenteil, ich habe schon lange keinen Film mehr gesehen, der durchgängig so spannend war und selbst in den ruhigeren Momenten, wie bereits erwähnt, die Handlung so konsequent vorangetrieben hat. Dazu ist er, sowohl was Kameraführung als auch die fast schon schmerzhaft realistischen Effekte angeht, äusserst professionell inszeniert und übertrifft in diesem Punkt den Vorgänger BLUE RUIN nochmals deutlich.
Fazit
GREEN ROOM ist auf jeden Fall einer der Filme, bei denen es mir schwer fällt, überhaupt Kritikpunkte zu finden, denn der Film hat mich von anfang bis Ende ausgezeichnet unterhalten, er war hart, brutal, düster und hatte hervorragende schauspielerische Leistungen zu bieten. Zur Höchstwertung fehlt dennoch das Quentchen Begeisterung, die solch ein Film in mir auslösen muss. Und dafür war die Story von GREEN ROOM etwas zu beliebig und schon recht oft, dagewesen, wenn auch mit anderen Protagonisten (z.B. Polizei vs. Gangs in ASSAULT - ANSCHLAG BEI NACHT). Dennoch ein rundum gelungener Film, den ich mir sicher noch das eine oder andere Mal anschauen werde.
Ich vergebe
9/10