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Lucifer Rising

Herstellungsland:USA (1972)
Standard-Freigabe:FSK 12
Genre:Mystery, Kurzfilm
Alternativtitel:Im Zeichen Luzifers
Bewertung unserer Besucher:
Note: 9,00 (3 Stimmen) Details
Diese Kritik enthält Informationen über den späteren Handlungsverlauf der Geschichte.
eine kritik von therealash:

Wenn ein experimenteller Kurzfilm eine neue Zeitrechnung eingeläutet hat, dann war das Lucifer Rising. Schwerer Heavy-Rock dröhnt über die fließende Magma, dass man heute dran denken muss, solche Sounds als Vorläufer von abgefahrenen Drone-Bands wie Sunn o))) zu verstehen. Fanfaren, Posaunen, oder was auch immer, bieten ein melodisches Leitmotiv, welches das Jüngste Gericht zu beschwören versucht. Dann blubbern Synthesizer, welche von der Zukunft zeugen. Es wird weitergehen. Um einen Song der Dark Waver Das Ich zu zitieren: "Es wird schon wieder weitergehen... Gottes Tod, Gottestod, Gott ist tot!"

Der Soundtrack wandelt sich in eine psychedelische Orgie, wieder die Fanfaren, epische Sounds. Ich denke persönlich an Atom Heart Mother von Pink Floyd, das zwei Jahre vor Lucifer Rising die Herzen des Musikfans höher schlagen ließ. Aber Lucifer Rising geht noch weiter. Der Soundtrack begibt sich in die letzten Tiefen des menschlichen Verstandes. Harmonie und Disharmonie, Himmel und Hölle. Nur noch ein Zittern. Feedbacklärm. Gitarren, welche die Himmels- oder Höllenleitern empor- und hinabsteigen, Ton für Ton, Urmusik und Zukunftsmusik in einem. Eine neue Zeit, die selbst schon wieder endet.

Ich höre hier mal auf über den Soundtrack zu sprechen, da dieses Monster von Bobby Beausoleil wirklich seiner Zeit voraus war, nicht nur im filmischen Universum, aber eben untrennbar mit dem Film verbunden ist. Wir befinden uns immerhin im Jahre 1972. Da gab es schon viel, aber vieles auch noch nicht, vieles das hier seinen Schatten erst vorauswarf. Beausoleil persönlich ist ein sehr suspekter Geselle, war er doch Mitglied der Manson Family, die Sharon Tate ermordet haben und selbst ein Mörder, der ähnlich wie Manson noch unter Gewahrsam ist. Außerdem - und das ist hier der Clou - spielt Beausoleil in diesem Film noch mit und dann keinen anderen als sich selbst höchstpersönlich. Eine größere Vermengung von Künstler und Realsperson kann man fast nicht eingehen. Lucifer Rising spiegelt genau dieses Dilemma.

In meiner Wahrnehmung ist Musik manchmal sehr problematisch, wenn es um die Komponisten geht. Ich finde es schwierig großartige Musik von den Taten oder Aussagen von Vollidioten zu trennen. Und trotzdem fasziniert mich die Musik. Da kann ich nichts dagegen tun. In diesem Fall muss man vielleicht die Kreativität als Ausdruck anerkennen und trotz allem respektieren, dass die künstlerische Verarbeitung nun mal nichts mit den Verbrechen, die hinter den Personen standen und stehen zu tun haben und eher ein positives Vehikel zu sein scheinen, um irgendwelche Phantasien auszuleben. Lucifer Rising arbeitet dies auch auf einer Ebene ab, die mir persönlich erst sehr viel später in den Sinn gekommen ist. Ähnlich geht es mir da zum Beispiel mit einer Band wie Burzum, die aus dem Pantheon des Black Metal nicht wegzudenken ist, auch wenn ihr Erschaffer rein persönlich problematisch sein mag.

Wie man sieht, Lucifer Rising erzählt von allem und nichts und vor allem von dem Allen und dem Nichts. Aber gut, neben der Musik bietet Lucifer Rising übrigens auch noch weiteren Zündstoff. Gehen wir also kurz zu Kenneth Anger, dem Regisseur dieses letzten Teils seines Magick Lantern Cycle, eines Kurzfilmzyklus, der grob zwischen 1947 und 1981 gedreht wurde und für den er zurecht bekannt geworden ist. Anger ist einer der größten noch lebenden Experimentalfilmer (er ist mittlerweile über 90), der gemeinhin als stilprägender Künstler anerkannt ist und in tausendfachen Verflechtungen mit der Popkultur des 20. und 21. Jahrhunderts steht. Alle Verbindungen zu nennen ist nicht möglich und fängt beim Antichristen Aleister Crowley an und hört sicher nicht bei Rockröhre Mick Jagger auf.

Lucifer Rising selbst ist schon so tief in die Geschichte des Rock eingebunden, dass man die Verbindungen und Interpretationen, die hier möglich sind, nicht auf kurzem Raum zusammenbringen kann. Nennen wir also nur das Hauptpersonal, da wir es hier eigentlich nicht mit Schauspielern zu tun haben. Donald Cammell spielt den ägyptischen Gott Osiris. Ihn kennt man in Co-Regie mit Nicolas Roeg (Wenn die Gondeln Trauer tragen) vom Film Performance mit Mick Jagger. Aber weiter. Marianne Faithful spielt die Dämonin Lilith, Chris Jagger, der Bruder von Mick, spielt einen Mann in einer gelben Robe, die ihm sehr gut steht, wie zu bemerken ist und zuletzt spielt Led Zeppelins Jimmy Page einen Typen, der die Stele der Apokalypse in Händen hält und damit bedrohlich auf einen Berg schlägt, dass es nur so donnert und blitzt. Wenn das mal nichts ist? Zuletzt spielt Kenneth Anger selbst noch einen Magier, oder vielleicht den Magier an sich. Man kennt das ja schon von Jodorowskys Montana Sacra.

Um was zum Teufel geht es in dem Film aber? Na, um den Teufel eben, um den geht es in Lucifer Rising. Und Lucifer, der alte Lichtbringer ersteht und erhebt sich in den Himmel. Beausoleil ist der verlorene Musiker, dem der Teufel wieder auf den Pfad des Lichts hilft. Da ist Ägypten doch nicht weit und ein Ufo darf auch nicht fehlen. Soweit könnte man die Kurzform des Inhalts beschreiben. Die Langform würde von eben jenem Urschlamm beginnen, das wabernde Magma, das Dröhnen und Stöhnen und dann hin zur Gegenwart gehen, sich auf die psychischen Probleme eines Beausoleil etwas konzentrieren und am Ende wiederum in abgehobener Esoterik, Pyramidenzeremonien und Außerirdischenglauben laut in den ägyptischen Götterhimmel hinausschreien: The Truth is out there! Rise, Lucifer, Rise!!!

Die Erinnerungen an die Zukunft von Ufo-Party-Forscher Erich von Däniken werden hier wach und lassen einen, um durchaus etwas Kritik anzubringen, am Ende wegen der Special Effects etwas frösteln. Mit viel Liebe denke ich hier immer daran, dass es ja ein Experimentalfilm ist, wo man das nicht so eng sieht. Nichtsdestotrotz, Lucifer steigt in den Himmel und verkündet die frohe Botschaft, dass der Tod nicht das Ende ist und die Welt unendlich. Irgendwas in der Art zumindest.

Wie gesagt, um dies alles einmal etwas einzudämmen, da Anger kein Ende hat und man ihm nur mit einem Buch halbwegs gerecht werden könnte - wenn überhaupt -, Lucifer Rising ist einer der epochalsten und einflussreichsten Experimentalfilme, die es gibt. Die ganze Musikvideoindustrie wäre ohne ihn nicht möglich gewesen. Der Horrorfilm hat extrem von ihm profitiert, wie auch der Film an sich und nicht zuletzt war sein Einfluss auf die Musikkultur stibildend, allen voran der härtere Metal. Bei Lucifer Rising muss ich ob der ägyptischen Landschaft und der Pyramiden irgendwie immer an das Slayer-Video zu Seasons in the Abyss denken. Thematisch zumindest nicht so weit entfernt.

Lassen wir es gut sein. Lucifer muss zu seiner Luzi und Luzi hat das Licht ausgemacht.

Und wenn Luzi das Licht ausgemacht hat, muss Lucifer schlafen.

So sind die Regeln.

Hoffentlich gibt es für Lucifer wieder eine Auferstehung.

See you in Hell!

10/10
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Kommentare

31.05.2017 02:18 Uhr - CHOLLO
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Super was du immer für Perlen ausgräbst und sie mit einem hohen Maß an Hintergrundwissen abhandelst.Da kann man nur sagen...Hut ab;) Bist ein echter Gewinn für die Gruppe der Rezensierer!

31.05.2017 09:05 Uhr - Dissection78
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Da schließe ich mich CHOLLO gerne an. Nach "Symptoms" ein weiterer ausdrucksstarker Text. Diesmal zu einem nicht unbedingt leicht zu rezensierenden Experiment Angers, wobei Angers Ästhetik nicht nur den härteren Metal, sondern zu einem gewissen Grad auch die Industrial Music - damit meine ich nicht Industrial Metal - mit beeinflusste (u.a. Z'EV, NON, Cazazza, Current 93, Psychic TV, Zos Kia, Coil, Nurse with Wound). Die Hintergrundinfos sind schön ausgearbeitet, die Querverweise zur Musik und den Künstlern mit ihren Ambivalenzen finde ich sehr interessant.

Eine Kleinigkeit nur:
Aleister Crowley war Okkultist und Mystiker. Als Satansfreund oder Satanisten würde ich ihn nicht bezeichnen. Das ist auch in der Fachwelt sehr umstritten. Okkultismus ist nicht gleich Satanismus. Heidentum ist ebenfalls nicht gleich Satanismus. Das wird zwar immer wieder von Theologen und kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten sowie der BLÖD-Zeitung kolportiert, ist jedoch Humbug.
Crowley lehnte das christliche Konzept in seiner ganzen realen Existenz ab, dazu gehört auch Teufel/Satan/etc. Das Christentum bzw. das Judentum übernahm Götter anderer Religionen, verdrehte oft deren Bedeutung, wertete sie als Dämonen ab und/oder nahm sie als Synonym für den "Teufel" (siehe "Beelzebub"), um die Anhänger ebenjener Götter zu verhöhnen und zu demütigen. Ein gemeinsamer Gegner hält die eigenen Schäfchen schließlich zusammen. Satan, wie wir ihn heute kennen, ist ein Teil der monotheistischen abrahamitischen Religionen (neben dem Christentum im Islam: شيطان Šaiṭān/S[c]haitan; und im Judentum: שטן Sin-Teth-Nun). Doch ich schweife ab :)
Aaaalso, im Endeffekt sah sich Crowley selbst nicht als Satanisten, wenn er sich auch als "Das Große Tier 666" oder "To Mega Therion" (Celtic Frost, anyone?) bezeichnete. Der "Gegner", "Verwirrer", "Verleumder" spielte keine allzu große Rolle für ihn. Allerdings ist die gesamte Materie extrem komplex... dementsprechend möchte ich hier in gebotener Kürze nur ein etwas differenzierteres Bild zeichnen.

Nix für ungut, Ashley! :)

31.05.2017 14:16 Uhr - TheRealAsh
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@CHOLLO: Dank dir! hoffe auf ein baldiges Review von dir mal wieder?

@Dissection: das Review habe ich auch nur für dich geschrieben und klar, Industrial auch, Anger ist einfach so ein Monument, da kommt man allein gar nicht an, bleibt aber superspannend, vor allem was die neuen Sachen anbelangt, die vielleicht ja mal nach seinem Tod zugänglicher werden.
Und kein Problem, die Kritik ist durchaus gerechtfertigt, die Materie tatsächlich viel zu komplex, da wollte ich einfach lapidar "Satansfreund" schreiben, da ich als alter Sonntagsschüler durchaus mit dem Konzept des Gehörnten etwas anfangen kann. Aber du hast natürlich Recht, ich habe den Satansfreund mit Antichrist ersetzt.

31.05.2017 14:21 Uhr - Intofilms
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Hui! So euphorisch, wie du diesen Titel hier feierst, muss ich den wohl unbedingt noch nachholen. Unverschämt inspirierende Kritik, Ash! ☺️
Bei deinem vierten Absatz habe ich ja auch sofort an Burzum denken müssen. Ich bewundere nach wie vor die ersten vier 'reinen' BM-Alben und kann hier sehr gut zwischen der Musik und der Person unterscheiden. Da bin ich also ganz bei dir. "Aske" war damals mein Einstieg in die Welt der Dunkelheit und im Grunde habe ich diese Musik bis heute nicht 'verarbeitet'. Das war wohl irgendwie zuviel für mein empfindsames Gemüt... :)
Danke auch an Dissection für diesen hochinteressanten Exkurs! :))

31.05.2017 16:30 Uhr - TheRealAsh
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danke, Into, dachte, dass du den Magick Lantern Cycle eh schon kennst, musst du nachholen, vor allem mit dem Hintergrund deines erlesenen Musikgeschmacks (zu Burzum gebe ich dir 100% recht), gibts als DVD von 2001 und Bluray BFI. Man muss in diesem Sinne aber 2001 echt loben, dass sie den bei uns rausgebracht haben.

noch zur "Verarbeitung": kann man so etwas je verarbeiten? Das ist wie mit den Filmen von Anger, sowas wie Lucifer Rising kannst du dir immer wieder reinziehen und nicht von der zugegeben heute billig wirkenden Machart abschrecken lassen, da steckt einfach so viel drin. Jesus Tod von Filosofem ist ja ein ähnlicher Knaller, und auch der ganze Rest natürlich, in diesem Sinne: Hvis lyset tar oss!

09.06.2017 14:28 Uhr - g-hot77
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Hey B, wie bzw. wo bist du denn an diese Perle gelangt?

30.05.2018 12:24 Uhr - naSum
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Geiles Teil, Ash!! Habs mittlerweile dreimal gelesen und sehe es als eine deiner besten Schreibarbeiten!

Dafür kriegste morgen ein Bonbon vom lieben Onkel Jack ;)

30.05.2018 19:09 Uhr - TheRealAsh
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Dank dir, Jackie, da bin ich aber schon sehr gespannt!

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