Der Todesking
Herstellungsland: | Deutschland (1989) |
Genre: | Amateurfilm, Drama, Liebe/Romantik |
Alternativtitel: | The Death King |
Bewertung unserer Besucher: |
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Note: 8,55 (11 Stimmen) Details |
Inhaltsangabe:
Siebenmal letzte Stunden, letzte Minuten vor dem endgültigen Aus. Schuld ist der Todesking.
Nach dem Komplex Nekrophilie wählte sich das Team Jörg Buttgereit/ Manfred Jelinski/ Franz Rodenkirchen den Selbstmord als Subjekt. Sie haben es tatsächlich gewagt, gewisse, im genialen Vorgänger NEKROMANTIK aufgetauchte Ansätze von Seriosität und Ernsthaftigkeit weiterzuführen und sich noch mehr dem wirklichen Leben anzunähern.
DER TODESKING zeigt authentische Momentaufnahmen der Entfremdung, des Leidens, des Sterbens, untermalt von traumhaft schöner Musik.
Buttgereit handelt seinen diffizielen Stoff nicht in einer gradlinigen Story ab, sondern in sieben Episoden, die stilistisch gänzlich unterschiedlich wie Eintragungen in ein filmisches Notizbuch wirken.
Buttgereits Selbstmörder sind nicht "arm", sie wissen, was sie tun, begehen den Freitod als bewußten Akt.
Damit man keinen Augenblick den Zerfall des Stofflichen vergißt, ist eine immer mehr verwesende Leiche als roter Faden zwischen die Geschichten gesetzt. Man wird unweigerlich an Peter Greenaway erinnert.
Aber im Gegensatz zum ach-so-intelektuellen Greenaway flackert hier echte, aufrührerische Poesie auf. (Media Target)
Ein bis zwei Mal im Jahr habe ich so richtig Lust auf Jörg Buttgereit. Was sich jetzt anhört wie der Wunsch nach einer köstlichen Leckerei ist natürlich einer unserer besten und unterschätztesten deutschen Regisseure und Künstler. Diese Lust verspüre ich vor allem dann, wenn ich etwas in der Krise stecke. Da gibt es einfach nichts schöneres, als in die Abgründe zwischen Kunst und Liebe einzutauchen.
Neben seinen grenzensprengenden Werken um Nekromantik ist Le Butti mittlerweile ja glücklicherweise im Hochkulturbetrieb des Theaters angekommen, was er hoffentlich noch weiter ausbaut. Bei einem Interview von ihm hatte ich letztens den Eindruck, dass er ein bisschen genervt vom Filmemachen ist, da das eben ein anstrengendes und oft fürchterliches Geschäft ist. Auf einen Monsterfilm von ihm hätte ich allerdings schon große Lust. Mal schauen, was noch von ihm alles kommt. Ich glaube, der läuft sich gerade erst warm.
Gehen wir zum Film. Der Todesking ist für mich Kino in Reinkultur. Auch wenn hier immer auf das Episodenhafte hingewiesen wird, sehe ich den Film doch als großes Ganzes. Der sprichwörtliche Lebkuchenmann, dessen Leiche sich über den gesamten Film langsam zersetzt, ist dabei die zusammenhaltende Metapher für den Tod und gleichzeitig die zerfallende Vision des Todes und des Tötens bei den Figuren.
Fragen sind hier: Warum tötet jemand einen Menschen? Warum tötet sich jemand selbst? Und warum verdammt nochmal kommt der Tod nicht öfter bei mir vorbei, um mal wieder lecker Lebkuchen mit Kakao zu konsumieren, ein bisschen zu quatschen und Schach zu spielen. Gerne auch Mühle.
Eine Handlung im herkömmlichen Sinne gibt es nicht. Vielmehr werden die Themen Mord, Selbstmord und Sterben in einer melancholischen und ästhetischen Form abgehandelt. Das heißt allerdings nicht, dass es keine Struktur gibt. Eingeteilt ist die Filmzeit in die Wochentage von Montag bis Sonntag. Dann gibt es eine Art episodenübergreifenden Postverkehr mit Briefen, die zum Selbstmord aufrufen. Diese sind allerdings nicht immer gleich und sollten vielleicht auch nicht überinterpretiert werden.
Man muss also nicht immer fragen: "Was wollten uns die Künstler damit sagen?"
Viel mehr möchte ich gar nicht verraten, da sich jedem kranken und gesunden Kopf Der Todesking sicher anders entfaltet. Denn was ist schon normal? Hinweisen möchte ich nur auf eine direkte Referenz zu Die Frau mit der 45er Magnum in "Mittwoch", die ich sehr gelungen finde. In Abel Ferraras Film geht es schließlich ebenfalls um eine Todesgöttin und das wird hier schön widergespiegelt. Der Todesking ist hier gendermäßig ganz korrekt nämlich auch und vor allem eine Todesqueen. Die Vorzüge von Ferraras Film und diejenigen der wunderschönen Thana seien noch einmal besonders hervorgehoben.
Außerdem erwähnen möchte ich noch "Samstag", wo schon 1990 im wahrsten Sinne des Wortes das Märtyrertum des zeitgenössischen Terrors derart eindringlich thematisiert wird, als wäre der Film ein Kommentar auf die Geschehnisse der letzten Zeit.
In Der Todesking sind noch ganz viele Kleinigkeiten versteckt, welche die relativ kurze Laufzeit spannend und den Film zu einem nachhaltigen Rewatch-Kandidaten machen. Wie gesagt, ein bis zwei Mal im Jahr muss der bei mir ins Auge.
Apropos Auge: In "Samstag" sieht man ein paar Schnipselbilder an der Wand eines berühmten Fassbinderfotos. Da zielt der gute Rainer schön in die Kamera. Die Kamera ist ja nicht nur ein Auge, sondern auch ein Auge, das gesehen wird. Nicht nur ein Auge, das man mit dem Rasiermesser durchschneiden kann, sondern auch ein Auge auf das man schießen kann. Und Jörg Buttgereit schießt wie der gute Fassbinder wirklich auf die Augen der Zuschauer. Und gleichzeitig schießt der Zuschauer mit. Buttis Kunst ist dabei, dass er diese Dopplung zwischen Sehen und Gesehenwerden so gut hinbekommt. Damit umkreist er den Film selbst und lädt uns ein an seiner Filmliebe teilnehmen zu können.
Stilistisch ist Der Todesking nämlich genial. Gerade in "Donnerstag" kommt die Kameraarbeit von Manfred O. Jelinski zum vollen "Tragen", wenn sie über das Loch einer Brücke schwebt und für den Zuschauer den Akt des Selbstmords spürbar machen. Überhaupt zieht Der Todesking einen voll rein in seine Welt voller Depression und Angst. Im besten Sinne erinnert das manchmal an Gerald Kargls Angst oder an Gaspar Noe, der sicherlich Buttis Filme kennt und schätzt.
Es gäbe noch so viel zu sagen zu diesem Lieblingsfilm von mir. Mit den gestreut kleinen Anspielungen und Einzelheiten kann man sich lange beschäftigen, wie mit der Schallplatte von Die tödliche Doris, Barschel, Bela B. Felsenheimer und den eingeblendeten Namen der Brückenselbstmörder. Franz Rodenkirchen und Buttgereit haben ein Drehbuch verfasst, das nur oberflächlich als schrundige Episodenklatsche daherkommt, darunter aber eine tiefgehende Fantasie in D-Dur ist, welche mit einem blutunterlaufenen Tristan-Akkord den Liebestod betrauert.
Aber Vorsicht, Der Todesking ist zwar ein extremer Film, der Grausamkeiten von Menschen gegenüber sich selbst und anderen Menschen zeigt, aber innerlich ist er ganz traurig und voller Liebe. Das merkt man schon am unglaublich sympathischen Buttgereit, ohne dessen Person seine Werke sicherlich nur eine Fußnote im Genre wären. Da Butti aber so ein Supertypencaptain Berlin ist, versteht langsam aber sicher auch der letzte Horst, dass es sich hier nicht nur um Gore, sondern Kunst handelt.
Zuletzt sei der geniale Soundtrack von Hermann Kopp, Daktari Lorenz und einem lieber unter pseudonym schaffenden Komponisten namens John Boy Walton erwähnt. Hier stimmt wirklich alles und wäre dieser Soundtrack vom London Symphony Orchestra mit John Williams am Dirigentenhölzchen eingespielt worden, hätten wir einen absoluten Klassiker für einen Blockbuster von Spielberg oder Coppola. Ich empfehle jedem Soundtrackfreund dieses Prachtstück abseits vom Film zu hören, um die Musik als eigentständigen und doch mit den Bildern verbundenen Geniestreich zu würdigen.
Zuletzt bleibt mir nur zu sagen: Oh, Jörgi, bitte mach noch viele tolle Sachen!
Und ihr wisst ja, mit dem Todesking und der Todesqueen ist nicht zu spaßen:
"Die Lachsschaumspeise!!!"
Kommentare
14.09.2017 21:49 Uhr - dicker Hund |
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14.09.2017 22:37 Uhr - TheRealAsh |
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14.09.2017 22:48 Uhr - Calahan |
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14.09.2017 23:22 Uhr - TheRealAsh |
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Damit musst du schon leben, Harry^^
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14.09.2017 23:53 Uhr - Punisher77 |
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![]() DB-Helfer ![]() ![]() |
Ein hervorragendes Review, dem man sein Herzblut anmerkt, und das ich mit großem Interesse gelesen habe. Klingt nach schwerer, aber nicht uninteressanter Kost.
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15.09.2017 13:23 Uhr - naSum |
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15.09.2017 16:30 Uhr - TheRealAsh |
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15.09.2017 23:49 Uhr - naSum |
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16.09.2017 01:21 Uhr - TheRealAsh |
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eigentlich ne gute Idee, das müssen wir mal im Auge behalten,-)
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