Wer gerne mehr über die Produktion des Films erfahren möchte, sollte (unauffällig) diesen Link folgen: Neon-Zombie.net.
I. Einleitung
Wie ich im vorrangeganen Schnittbericht bereits erwähnte, gibt es unterschiedliche Schnittfassungen des Films „The Day After - Der Tag danach“. Grund hierfür waren u.a. Differenzen zwischen dem Produktionsstudio und dem Regisseur, Schnittauflagen seitens des Fernsehsenders, sowie ein anfänglich vollkommen anders konzipierter Film - der eine Lauflänge von über vier Stunden umfassen sollte. Aus einem ursprünglich geplanten Zweiteiler, entschloß man sich, einen rund zweistündigen Fernsehfilm, mit anschließender Diskussionsrunde, für nur einen Abend zu produzieren. Hierfür mussten zwangsläufig rund 50% des Filmmaterials herausgeschnitten werden (oder wurde, falls noch nicht gedreht, komplett vom Produktionsplan gestrichen). Ob und wann die vierstündige Fassung (oder zumindest das Filmmaterial, z.B. in Form von Deleted Scenes) veröffentlicht wird, steht in den Sternen. Selbst das 25-jährige Jubiläum im November 2008 ließen MGM und ABC (die US-Rechteinhaber) sang und klanglos verstreichen - ansonsten ein perfekter Anlass um einen Filmklassiker mit Pauken und Trompeten neuzuveröffentlichen.
Insgesamt kann man von fünf verschieden Schnittfassungen sprechen, von denen zumindest zwei in der westlichen Welt offiziell veröffentlicht wurden. Hierbei handelt es sich um die DVD-Neuauflage, die der VHS-Erstauflage identisch ist, sowie die DVD-Erstauflage, hinlänglich als „moderne Fassung“ bekannt.
II. moderne Fassung (DVD-Erstauflage)
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, und zumindest dem offiziellen Ende des Kalten Krieges, entschied man sich eine neue, moderne Fassung zu schneiden, in der man vor allem in der ersten Stunde des Films viele Szenen, die deutlich auf den Ost-West-Konflikt anspielten, heraus- oder umschnitt. Somit versuchte man wohl die Aktualität des Films künstlich aufrechtzuerhalten. Allerdings ließ man merkwürdigerweise dennoch zahlreiche Szenen im Film, die direkt auf den Kalten Krieg anspielten. Dies ist wohl die meistverbreitete Fassung und wurde für den Heimvideomarkt, für TV-Austrahlungen und von Euro-Video als DVD (Erstauflage) veröffentlicht. Folgender Schnittbericht vergleicht diese Fassung mit der DVD-Neuauflage, die hier als „Special-Uncut-Version“ bezeichnet wird.
Interessant hierbei ist, dass diese Fassung kurze Szenen und Einstellungen enthält, die in der Uncut-Fassung fehlen. Oftmals könnte das Fehlen dieser kurzen Einstellungen auf ein Fehler des Uncut-Masters zurückzuführen sein, allerdings gibt es zumindest eine sehr interessante Szene, die in der Uncut-Fassung unverständlicherweise komplett fehlt und auf die ich kurz noch mal gesondert eingehen möchte.
III. Film-Archäologie
Hierbei handelt es sich um einen Shot von Dr.Oakes, der eine Person auf seinen Armen tragend in das Krankenhaus bringt. Man sieht diese Person zwar nicht von vorne - allerdings lassen Haarschnitt, sowie Kleidung keine andere Vermutung zu. Normalerweise ist es zwar schon ärgerlich, dass diese Einstellung in der „Special-Uncut-Version“ komplett fehlt, aber letztlich zu verkraften - wenn uns die kleine Szene nicht einen Ausblick auf die Ur-Version, die 4-Stunden-Fassung, geben würde.
Dr.Oakes, wie er die Person trägt und durch die post-nukleare Trümmerlandschaft wandert, sieht man bereits vorher in einer Totalen der Hauptstrasse von Lawrence - wobei hier angemerkt werden muss, dass es nicht in der Absicht des Regisseurs oder der Produzenten lag, dass man in dieser Totalen Dr.Oakes überhaupt identifiziert.
Der Grund hierfür ist einfach, wenn man die Schnittreihenfolge dieser gesamten Szene (Dr.Oakes’ Wanderung durch das zerstörte Lawrence), die in allen Fassungen identisch ist, genauer unter die Lupe nimmt.
Denn diese Totale beweist somit, das bereits für das erste Release (US-TV-Ausstrahlung 1983) umgeschnitten wurde, denn in allen veröffentlichten Fassungen sieht die Schnittreihenfolge folgendermaßen aus: Zuerst sieht man die Totale vom zerstörten Lawrence (Dr.Oakes ohne Jacket), darauf folgt ein Schnitt, wie Dr.Oakes die Trümmerlandschaft durchstreift (mit Jacket), und dann folgt der Shot vor dem Krankenhaus (Dr.Oakes ohne Jacket), der in der „Special-Uncut-Version“ fehlt - ein deutlicher Hinweis auf eine vollkommene Änderung der ursprünglichen Szenenfolge. Es würde auch mehr Sinn ergeben einen längeren Handlungsstrang (Dr.Oaks durchstreift Lawrence, rettet einen Verletzten und bringt ihn oder sie ins Krankenhaus) mit einer Totalen zu beenden.
Wie erwähnt, ist dies ein weiterer Hinweis auf das fehlende Filmmaterial der 4-stündigen Ur- Fassung. Warum sollte man sonst eine Szene drehen, in der Dr.Oakes eine verwundete Person durch die Stadt trägt - ohne einen direkten Hinweis, dass es sich dabei eben um Dr.Oaks handelt (man sieht ihn ja nur in der Totalen, sowie kurz von Hinten). Somit können wir schon einmal vermuten, dass Dr.Oaks’ Wanderung durch das zerstörte Lawrence ursprünglich viel länger ist und in der Szene, in der er über die Hauptstraße wandert, wenigstens einmal anhält und einen Verwundeten verpflegt, um ihn dann ins Krankenhaus zu bringen und vielleicht nebenbei mit seinem Jacket einen Toten oder den Verwundeten bedeckt (Mutmaßung).
Ebenfalls verschiedene Behind-the-Scenes-Bilder, die während des Drehs in Lawrence entstanden sind, zeigen Dreharbeiten im post-nuklearen Lawrence zu Szenen, die nicht veröffentlich wurden, und somit die oben genannte Theorie untermauern.
IV. Zusatz
Zum Abschluß der Einleitung möchte ich noch auf zwei kurze Szenen hinweisen, die ich beim Durchstreifen des Netz fand und bisher in keiner Fassung zu sehen waren. Die erste Szene zeigt Bruce, Denise Dahlbergs Verlobten. In einem TV-Trailer von 1983 sieht man wie er beim Start der Mittelstreckenraketen gen Himmel schaut.
Durch Zufall fand ich noch die originale Synchronisation der Rede des US-Präsidenten, in der versucht wurde den damaligen Präsidenten Ronald Reagan nachzuahmen. Diese Szene wurde in alle darauffolgenden (englischen) Fassungen nachsynchronisiert.
V. Schnittbericht
Verglichen wurde die deutsche DVD-Neuauflage (FSK 12), hier als „Special-Uncut-Version“ bezeichnet, mit der deutschen DVD-Erstauflage (FSK 12), auch bekannt als „moderne“ Fassung.
Special-Uncut-Version
Länge: 115:13 Minuten Altersfreigabe: FSK 12
DVD-Erstauflage
Länge: 121:54 Minuten Altersfreigabe: FSK 12
Beide Fassungen wurden von Euro-Video auf DVD veröffentlicht.
Insgesamt fehlen in der „Special-Uncut-Version“ 19 Sekunden.
0:00.16 Erstauflage - Eine Texttafel fehlt in der „Special-Uncut-Version“.
4 Sec
0:08.03 Alternative Einstellung: In der „Special-Uncut-Version“ sieht man anstatt des Zeitungsberichts mit der Überschrift „President warns Sowjets!“ eine weitere Einstellung der Soldaten. Demzufolge ist in der Erstauflage der Zeitungsbericht zu sehen.
kein Zeitunterschied
0:08.56 Längere Einstellung: Als Nicky und Bruce mit dem Motorrad zur Kirche fahren, fehlt in der „Special Uncut Fassung“ eine kurze Szene, wie sie an Nickys Vater vorbeifahren.
kein Zeitunterschied
0:24.58 Als McCoy seine Frau erblickt, hält er kurz inne.
2 Sec
0:30.10 Es fehlt eine kurze Einstellung, von Dr.Oakes’ Sohn beim Football.
2 Sec
0:39.43 Versetzte Tonspur: Während es zu Hamsterkäufen im Supermarkt kommt, setzt die Tonspur knapp 4 Sekunden später ein.
kein Zeitunterschied
0:43.29 Es fehlt eine kurze Einstellung, wie ein Bomberflugzeug abhebt.
5 Sec
0:43.29 Es fehlt eine kurze Einstellung einer Blumenwiese.
2 Sec
0:43.29 Es fehlt eine Szene von Dr.Oakes (siehe Einleitung).
2 Sec
1:53.20 Als die Kamera vom sterbenden Dr.Oakes wegfährt, hört man erst nach der Überblendung die Stimme von Professor Huxley aus dem Off.
kein Zeitunterschied
1:53.31 Der englische Rolltext am Ende des Films wurde in der „Special-Uncut-Version“ durch zwei deutsche Textafeln ersetzt. Die deutschen Textafeln werden länger eingeblendet, wodurch sich eine Differenz von 51 Sekunden ergibt, die der Übersicht halber nicht miteinberechnet werden, bzw. abgezogen werden.
kein Zeitunterschied
Zusätzliche Info: Durch das komplette Umschneiden des Films - besonders in der Hälfte vor dem Atomkrieg - mussten viele ursprünglich eingeblendete Textafeln neu arrangiert werden. Hierdruch ergibt sich keinerlei Zeitunterschied.
Cover der deutschen DVD-Erstauflage (Euro-Video):
Cover der deutschen DVD-Neuauflage (Euro-Video):
Cover der US-DVD (MGM):
Cover der deutschen VHS-Erstauflage (Cannon):
Cover der deutschen VHS-Kaufkassette (United Video):
Der Film hatte damals bei seiner Veröffentlichung wirklich übelste Probleme von der Zensur her, und ob er überhaupt rausgebracht werden darf. War irgendwie was politisches, hab ich mal gelesen...
20.06.2009 - 00:07 Uhr schrieb ~ZED~
Der Film hatte damals bei seiner Veröffentlichung wirklich übelste Probleme von der Zensur her, und ob er überhaupt rausgebracht werden darf. War irgendwie was politisches, hab ich mal gelesen...
Jein. Also, herausgebracht werden sollte er immer - sonst wäre dies für ABC damals ein finanzielles Desaster gewesen. Im vorrangegangenen SB gehe ich auf die Probleme der Erstellung einer finalen Schnittfassung näher drauf ein.
Sehr heftiges Thema, womit ich in den 80ern groß gezogen worden bin. Bis 1989 wurden wir wirklich in der Grundschule "harmlos" darauf aufmerksam gemacht. Mit 13 sah ich diesen alten TV-Film ausgeliehen auf VHS, der mich mehr als gereizt hat.
Aber in Laufe der Jahre lernte ich "Dass nicht jeder Guttenberg überleben kann und Hollywood was Schreckliches verschönert"
Also der Film ist nicht gut, aber auch nicht schlecht. Aber selbst im kalten Krieg haben wir im Kindergarten (dank Tschernobil) schon mehr Aufklärung bekommen, als der Film uns vormachen will über Gamma-Strahlung
Gute schockierende Unterhaltung, aber sehr verschönerte Tatsachen 7 Punkte
Ich empfinde diesen Film als beklemmend.
In weiten Teilen ist er auch sehr still.
Das es zwei verschiedene Fassungen gibt wußte ich gar nicht, auch wenn mir bekannt war das es diese beiden Auflagen gibt.