Hin und wieder brandet sie auf, die bei Politikern und Bürgern gefürchtete Debatte um das Renteneintrittsalter. Die Menschen müssen immer länger arbeiten und sind besorgt, dass später mal nicht viel von der Vorsorge bleibt, für die man all die Jahre geschuftet hat. Ob ähnliche Motive auch bei den alten Actionveteranen wie Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone im Hinterkopf waren, als sie sich trotz fortschreitenden Alters und deutlich jüngerer Konkurrenz zu neuen Filmprojekten entschlossen, ist nicht überliefert. Anders als Stallone, der in den letzten Jahren mit seiner Umtriebigkeit kontinuierlich für neuen Stoff sorgte, rollt die große Comeback-Tour von Arnold Schwarzenegger erst jetzt so langsam an. Streckte die steirische Eiche nach zwei Amtszeiten als Gouverneur von Kalifornien erst noch sehr dosiert die Nase neuerlich in den Actionsektor, steht nun mit The Last Stand das erste Hauptrollenvehikel nach einer gefühlten Ewigkeit vor der Tür.
Es ist eine Zäsur, denn der Österreicher sieht sich einigen Veränderungen gegenüber. Dieses Jahr wird er 66, seine letzte Hauptrolle (in Terminator 3) ist 10 Jahre her und das Publikum ist um 1-2 Generationen angewachsen. Dessen Sehgewohnheiten und Erwartungen sind anders als die von Schwarzeneggers Retroanhängern, die mit nostalgisch-verklärtem Lächeln jeden Fitzel ihres Idols aufsaugen. In erster Linie bleibt das auch in Zukunft sein Kernpublikum, denn mit den neuen CGI-Orgien und durchchoreographierten Turneinlagen seiner jüngeren Schauspielerkollegen kann Arnie nicht mehr mithalten (falls er es je konnte). Schaut man sich The Last Stand an, kann man eines sehr leicht feststellen: er scheint sich dieses Umstandes bewusst zu sein und liefert mit diesem Film ein Werk ab, das in vielen Aspekten oldschool rüberkommen will. Ein paar charmante Verweise auf sein Alter und eine turbulente Vergangenheit, vor der er einfach nur seine Ruhe haben will. Den toughen Heißsporn nimmt ihm niemand mehr ab, er muss jetzt den gesetzten Veteranen geben, der beweisen muss, dass er es noch drauf hat, wenn er dazu gedrängt wird. Das ist das Kalkül von The Last Stand, der so natürlich nicht die Massen ansprechen konnte und sein Budget von 45 Millionen Dollar an den weltweiten Kassen nicht einzuspielen vermochte. Es muss der Heimkinosektor richten, der wohl weit eher dazu einlädt, den alten Mann an einem bierseligen Abend wieder in Action zu begutachten. Dafür taugt er allemal.
Etwas mehr Potential traute man dem Film offensichtlich beim deutschen Rechteinhaber Splendid Film zu und das sorgte im Vorfeld für gehörige Aufregung. Das Label, das schon mit den Expendables-Filmen ein Faible für reaktivierte Actionoldies bewiesen hat, wollte The Last Stand einem möglichst großen Publikum in den Kinos kredenzen und stand vor einem Problem: die FSK vergab für die ungeschnittene Fassung lediglich eine Freigabe "ab 18 Jahren". Das ist schlecht, wenn man mit diesem prominenten Namen Jung und Alt in die Lichtspielhäuser locken will. Man unternahm daher einen Schritt, der bei den vielen alten Fans des Schauspielers für enorme Empörung sorgte: man nahm Zensuren zugunsten der niedrigeren FSK 16-Freigabe vor und brachte nur diese Schnittfassung in die Kinos (wie wir exklusiv berichten konnten). Diese Entscheidung brach einen Shitstorm vom Zaun, der die Facebookseite des Labels und des Films zeitweise mit mal mehr, mal weniger sachlich formulierter Kritik überflutete. Eine oft vorgebrachte Klage war, dass man die "mit Arnie gealterten" Fans mit den Zensuren vor den Kopf stoßen und zugunsten eines jüngeren Publikums, das Schwarzenegger eigentlich gar nicht richtig kennt, eintauschen würde - mit ungewissem finanziellen Erfolg. Aus wirtschaftlicher Sicht war Splendids Strategie durchaus nachvollziehbar, die nackte Mathematik ist sonst auch bei unpopulären Entscheidungen ein guter Berater. Doch die emotionale Dimension der Geschichte hat wohl auch das Label überrascht und so ruderte man knapp 2 Wochen nach Kinostart zurück, um doch noch die lauthals protestierenden Zuschauer, die wortreich ihr Fernbleiben von den Kinovorstellungen der zensierten Version äußerten, zurück ins Boot zu holen. Die ungeschnittene Fassung wurde ebenfalls an zahlreiche Kinos verschickt und manch einer hatte nun die Möglichkeit, Schwarzeneggers Comeback ohne Zensuren zu erleben.
Im Kern dreht sich in diesem Disput alles um knapp 20 Sekunden Laufzeit, die der FSK 16-Fassung fehlen. Angesichts tausender Beispiele in unserem Archiv, bei denen Filmen gleich mehrere Minuten an Material geraubt wurden, klingt das relativ unspektakulär. Doch über die Jahre hat sich auch bei Labels die Vorgehensweise bei Zensuren geändert. Es fehlen heute oft nicht mehr ganze Szenen, sondern gerne auch nur mal die extremeren Gewaltspitzen. Unter diesem Gesichtspunkt sind die insgesamt 18 Eingriffe schon anders zu bewerten. The Last Stand bietet keinen brutalen Overkill, hat aber durchaus seine Härten, die die von der FSK erteilte Freigabe vertretbar machen. Splendid war hier bestrebt, diesen Momenten die Intensität und Häufung zu nehmen. Nicht zuletzt dadurch konnte man es sich wohl auch erlauben, dass zwei der auffälligeren Splattermomente (Zweiteilung mit dem Maschinengewehr, Kopfschuss im Bus) auch in der geschnittenen Fassung erhalten bleiben konnten.
Im Zuge der Heimkinoveröffentlichung auf DVD/Blu-ray erwartet den geneigten Käufer wieder eine kleine Flut an unterschiedlichen Editionen. Der Großteil davon hat die ungeschnittene Fassung an Bord, doch auch die zensierte Kinofassung schaffte es einmal auf DVD und BD. Es dürfte klar sein, was zu bevorzugen ist. Sollte bei einigen Konsumenten der Ärger über das Fassungshickhack noch nicht komplett verraucht sein, dürfen die sich freuen, wenn irgendwann später mal The Last Stand im Free-TV läuft. Splendid hat für eine Ausstrahlung in der Primetime nochmal die Schere angelegt und tatsächlich eine Fassung "ab 12 Jahren" angefertigt, die wohl um die 4 Minuten vermissen lassen wird. Da kann man auch der jüngsten Generation mal zeigen, wer dieser ominöse Arnold Schwarzenegger ist.
16 Schnitte, 1 Tonzensur, ein alternativer Dialog = 19,72 Sekunden
0:11:02: Der blutige Kopfschuss fehlt beim Farmer.
1,8 Sec.
0:21:20: Der sehr blutige Kopfschuss bei McKay fehlt ebenso.
2 Sec.
0:33:29: Ein Cop wird erschossen.
1 Sec.
0:33:32: Auch ein Kollege erleidet einen Treffer.
0,36 Sec.
0:33:33: Nur fünf Frames wurden entfernt, wie der Brusttreffer beim Polizisten besonders deutlich hervortritt.
0,2 Sec.
0:33:42: Dieser Schnitt ist schon deutlich länger. Ganze 8 Frames fehlen hier, als ein weiterer Gesetzeshüter von blutigen Einschüssen in Mitleidenschaft gezogen wird.
0,32 Sec.
0:33:44: Und obgleich er schon am Boden liegt, wird er nochmal von einem Projektil getroffen.
0,4 Sec.
0:44:00: Wie der Söldner von Owens' Auto erfasst wird, fehlt in der 16er-Fassung.
1,16 Sec.
0:44:06: Der blutig-suppende Einschuss beim Gangster wurde entfernt.
0,68 Sec.
0:44:07: Auch, wie Owens einem zweiten Söldner einen Schuss in den Kopf verpasst, fiel der Schere zum Opfer. Nur wie er nach hinten fällt, sieht man. Geschickterweise wirkt es damit in der FSK 16-Fassung nun so, als sei das jetzt ein Gegenschnitt auf den ersten toten Gegner, der zu Boden fällt.
1,32 Sec.
1:09:54: Der blutige Kopfschuss beim glatzköpfigen Kartellschergen fehlt.
0,44 Sec.
Tonzensur
1:09:56: Eigentlich hört man noch ein quetschendes Geräusch, als der Bus den Söldner noch überrollt, doch das wurde in der 16er-Fassung stummgeschaltet.
Kein Zeitunterschied
1:13:07: Ray verpasst dem Söldner im Fallen einen blutigen Kopfschuss.
0,6 Sec.
1:13:21: Auf der Treppe fehlt der Einschuss, der blutig an die Wand spritzt. Wie der Mann dann getroffen auf die Stufen fällt, sieht man auch in der 16er. Hier wirkt es aber etwas abgehackter.
0,52 Sec.
1:13:42: Mehrere Schüsse durchlöchern den Mann.
1,32 Sec.
1:13:45: Nochmalige Ansicht, wie Frank ihn trifft.
1,48 Sec.
1:14:33: Die Leuchtmunition explodiert im Rücken des Söldners und zerfetzt den gesamten Oberkörper. Während der Unterkörper zu Boden fällt und ein Arm aus der Luft folgt, fällt der andere Arm punktgenau auf Mikes Rücken.
6,12 Sec.
Alternativer Dialog
1:14:40: Da hat man mitgedacht in Splendids Zensurabteilung. Als Burrell sein Bedauern über das Ableben seines Kameraden ausdrückt, sagt er in Bezug auf das splattrige Ende, das seinen Kollegen ereilte: "
So 'ne Sauerei.". In der FSK 16-Fassung sah man das aber nicht und deshalb dachte man beim Label wohl, dass dieser Ausdruck ein Logikloch hervorrufen könnte. Deshalb sagt Burrell hier: "
So eine Scheiße.".
Kein Zeitunterschied