Vergleich zwischen dem
falschen "Theatrical Cut" auf der neuen US-Blu-ray von Kino Lorber (2017) und der
korrekten internationalen Kinofassung auf der US-Laserdisc von Warner
17 dokumentierte Abweichungen, inklusive
* 6 zusätzliche Momente bei der US-Laserdisc: 11,9 sec
* 6 zusätzliche Momente bei der Kino Lorber-Fassung: 48,1 sec
Differenz (ohne Logos): 36,2 sec
Hintergrund
Viel wurde schon geschrieben über Sergio Leones Western-Klassiker
Zwei glorreiche Halunken (Internationaler Titel:
The Good, The Bad & The Ugly), sodass wir gleich nur die für den vorliegenden Vergleich relevante Fassungs-Historie zusammenfassen:
1966 startete der Film in
italienischen Kinos mit vermutlich rund
174 Minuten*, die entsprechende Fassung ist aber heute aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr erhalten geblieben. Am ehesten kommt von käuflich erwerbbaren VÖs wohl die 2009 in Italien veröffentlichte Blu-ray nahe, welche allerdings keinen englischen Ton oder Untertitel (Deutsch natürlich ebensowenig) enthält. Wie man im
Schnittbericht zur US-Extended-Fassung (zu dieser gleich auch noch mehr) nachlesen kann, ist diese jedenfalls speziell bei Tucos Folterszene etwas abgehackt.
1967 erstellte Leone selbst für den US-Markt eine
internationale Kinofassung mit einer Dauer von
162 Minuten, deren Kürzungen man weitestgehend im
Schnittbericht zur US-DVD-Erstauflage nachlesen kann. So kam der Film damals auch in andere europäische Länder, wurde aber z.B. in Deutschland noch zusätzlich
um 2 Minuten Gewalt zensiert. Heutzutage ist diese Version im mutmaßlichen Originalzustand und vor allem auch korrektem Bildformat nur noch auf der
US-Laserdisc erhalten geblieben.
1998 brachte MGM mutmaßlich besagte internationale Kinofassung auf DVD, aber eben nur fast: Bei identischer Laufzeit von
162 Minuten entstand hier eine
kleine Mischfassung, die schon das Trauerspiel hinter dem vorliegenden Schnittbericht erklärt. Leider griff man nämlich zumindest z.T. auf italienisches Quellmaterial zurück und so fielen ein paar markante Spielereien beim Übergang von Einstellungen unter den Tisch oder wurden auch einzelne Aufnahmen wohl aus Versehen verwendet, die eigentlich nur in der italienischen Originalfassung vorkamen. Alles vergleichsweise überschaubar, aber die tatsächliche internationale Kinofassung war damit für Puristen quasi verloren.
2002 sammelte MGM nochmal alles an ausländischem Material und erstellte quasi eine
Extended Version, die dann auf diversen DVD-Auflagen und auch auf mehreren weltweiten Blu-rays die gar nicht mehr weiter irgendwie bezeichnete Standard-Fassung wurde. Bei
179 Minuten war hier vor allem die legendäre Il Grotto-Szene erstmals im Film integriert zu sehen und auch ansonsten kombiniert diese Version viele Fitzelchen, die eigentlich in Leones beiden selbsterstellen Kinofassungen aus den 60ern so gar nicht vorkamen. Diese Fassung war es auch, die 2014 erneut ausgewertet wurde mit prinzipiell schickem neuen 4K-Transfer, welcher allerdings häufig für seinen starken Gelbstich in der Kritik stand. Kameraassistent Sergio Salvati stand hier beratend zur Seite.
Die 2017er US-Blu-ray von Kino Lorber
Wegen den kleinen Pfuschereien hier und da ist unter Fans also durchaus noch ein Interesse an Leones Original-Kinofassungen vorhanden und entsprechend wurde positiv aufgenommen, als Kino Lorber für eine neue Blu-ray in den USA zwei Dinge ankündigte: Einerseits wollte man den Gelbstich des 2014er Masters korrigieren und andererseits
zusätzlich zur Extended Version noch die internationale Kinofassung rekonstruieren. Das klang natürlich klasse, doch schon bald kristallisierten sich zwei, besonders in US-Foren (z.B. dem
Blu-ray.com-Thread), hitzig diskutierte Punkte heraus:
1. Dass keine komplett neue Abtastung vorgenommen wurde, zeichnete sich früh ab. Es konnte lediglich das finale
2014 verwendete Master als Basis genommen und der Gelbstich reduziert werden. Leider nahm man hier kein ausführliches neues Color Grading vor, sondern ließ offenbar (vereinfacht ausgedrückt) einen Standardfilter über den gesamten Film laufen. Es blieb ein eher blasses Bild mit schlechten Schwarzwerten übrig. Der 4K-Scan ist an sich wie gesagt nicht schlecht, aber bei einem solchen Klassiker fallen solche Unzulänglichkeiten eben doch auf, welche offenbar nur mit einem komplett neuen Scan aus der Welt zu schaffen wären. Die Farbkorrektur der Kino Lorber ist jedenfalls nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
2. Ärgerlicherweise nahm man für den (auf Basis der farbkorrigierten 4K-Abtastung rekonstruierten) "Theatrical Cut" die
1998er-DVD als Vorlage statt einen richtigen Kino-Print oder eben die 1990er-Laserdisc, welche für den vorliegenden Vergleich Pate stand. Schade ist dies vor allem, da z.B. im bereits erwähnten Blu-ray.com-Thread regelmäßig ein Labelvertreter vorbei schaute und der kanadische Blogger/Fan
Jordan Krug frühzeitig seine Hilfe anbot. In mehreren Blog-Beiträgen hat er ausführlich den Kommunikationsverlauf dokumentiert, in dem er eben genau einen damaligen Kino-Print sowie die Laserdisc zum Abgleich angeboten und die kleinen Feinheiten im Vergleich zur 98er DVD offengelegt hat. Auch wenn solche Diskussionen im Netz natürlich mit Vorsicht zu genießen sind: Ausreichend Informationen lagen Kino Lorber offenbar durchaus vor und international dürften Filmfans auch genug Beispiele kennen, bei denen unter solchen Umständen dann durchaus noch eine Feinjustierung bis zum finalen Release möglich war.

Blog-Beiträge zu Problemen der 4K-Fassungen:
Teil 1 (Kommunikation mit Kino Lorber zur US-Kinofassung),
Teil 2 (Defizite der italienischen Blu-ray & damalige Zensurauflagen),
Teil 3 (Farbkorrektur bei 2009/2014 Blu-ray) und
Infos zu einer Deleted Scene
Der falsche "Theatrical Cut" von Kino Lorber
Was die Fan-Gemüter überhaupt so erhitzt hat, ist das im Vorfeld geäußerte und auf dem finalen Cover mit der Formulierung "original theatrical cut" nochmal untermauerte Versprechen, hier eben wirklich Leones Kinofassung rekonstruiert zu haben. So marginal die Unterschiede für das durchschnittliche Auge auch sein mögen, sie sind ohne Frage da und bei z.T. fast 20 Sekunden langen Unterschieden oder auffälligen Eingriffen in die tonale Gestaltung bringt das gerade Enthusiasten eben in Wallung.
Ganz grundsätzlich lässt sich festhalten, dass
Einstellungen aus der italienischen Fassung aus Versehen in das Master gerutscht sind. Gerade in der ersten halben Stunde gibt es da drei auffällige Stellen, welche in der Summe knapp 30 Sekunden
zusätzliches Material verursachen, was hier eigentlich nicht hingehört. Zugegebenermaßen ähneln die jeweiligen Einstellungen weiteren im Umkreis, was womöglich erklärt, warum es bereits 1998 bei MGM schlicht nicht auffiel, dass Leone diese Doppelungen damals bewusst straffte. Auch beim Eintreffen von Tucos Schergen sind rund 10 sec fälschlicherweise eingefügt worden und mittendrin hat sich eine Einstellung einer einstürzenden Wand hereingeschmuggelt.
Was für viele sicher noch schwerer wiegt als zusätzliches Material: Außerdem
fehlen kurze Momente aus der Original-Kinofassung, wenngleich auch hier eher bei repetitiven Einstellungen. So sieht man ebenfalls in der ersten halben Stunde eigentlich noch ein zusätzliches Durchladen von Blondies Waffe sowie auch öfter mal einfach nur am Ende oder Anfang im Original nochmal etwas mehr. Dies hängt z.T. mit Stilmitteln wie zusätzlichen Überblenden in der italienischen Originalfassung zusammen: Da man auf dieser Basis arbeitete, gab es schlicht keinen Zugriff mehr auf die vollständige Originaleinstellung. Besonders ärgerlich wird dies für den Cineast in der zweiten Filmhälfte, als einhergehend mit einer solchen Zwangsverkürzung Ennio Morricones genialer Score falsch über einen Szenenübergang gelegt wird.
Hand aufs Herz: Wer kein Enthusiast des Films ist, dürfte all diese Unterschiede als relativ unbedeutend abstempeln und sich über die Aufregung wundern. Man darf wiederum auch nicht vergessen, dass es grundsätzlich löblich ist, überhaupt noch diese (über einen Großteil des Films durchaus den Besonderheiten der Kinofassung entsprechende) Version anzubieten. Aber
Zwei glorreiche Halunken gilt eben nicht nur in seinem Genre als ein absoluter Meilenstein, sondern ganz allgemein als einer der besten Filme aller Zeiten. Zudem ist auch die Fassungslage, nicht zuletzt aufgrund dieser immensen Popularität, vergleichsweise exzellent dokumentiert. Unter diesen Bedingungen fallen Kompromisse jeglicher Art eben umso eher ins Gewicht, gerade wenn es um das filmhistorisch bedeutsame Vermächtnis eines bereits 1989 verstorbenen Regisseurs geht. Es ist somit durchaus schade, dass man mit der ansonsten üppig ausgestatteten "50th Anniversary Special Edition" immer noch keine ultimate VÖ des Kultfilms erhält.
Laufzeitangaben sind nach dem Schema
Kino Lorber "Theatrical Cut" Blu-ray / US-Laserdisc in NTSC
angeordnet
* Alle Angaben im Rahmen der kurzen Fassungsübersicht sind in Kino-/NTSC-/Blu-ray-Geschwindigkeit gehalten - für das PAL-Pendant sind entsprechend jeweils ~ 4% abzuziehen.
Update;
Am 27. April 2021 hat Kino Lorber eine 4K UHD veröffentlicht. Hier wurden die Schnittfehler wieder korrigiert, sodass nun die richtige, internationale Kinofassung vorliegt. Erfreulicherweise gilt dies auch für die im Set beigelegte, 2021er Blu-ray-Auflage. Mehr Details in unserer News.