Vergleich zwischen der
Kinofassung und der
Langfassung (beide enthalten auf der deutschen DVD/Blu-ray von Subkultur Entertainment)
- 10 Schnitte + 6x Alternativmaterial
- Differenz: 297 sec (= 4:57 min)
Hintergrund
Blutiger Freitag ist ein ganz besonderes Stück deutsche Filmgeschichte: Der gerade durch
Der Seewolf bekannt gewordene Raimund Harmstorf schlüpfte 1972 unter der Regie von Rolf Olsen in die Rolle des skrupellosen Gangsters Heinz Klett und mischte die deutsche Bourgeoisie gehörig auf. Reichlich politisch unkorrekt inszeniert und gespickt mit kultverdächtigen Sprüchen, gibt es hier eine von Beginn an zum Scheitern verurteilte Planung des ganz großen Coups zu bewundern. Eindeutig inspiriert von einem
Bankraub mit Geiselnahme in München 1971, der Film selbst lebt aber ohne Frage speziell von Harmstorfs Präsenz. Eine ähnlich exploitativ-sleazige und doch auch durchaus vielschichtige Produktion hat man hierzulande jedenfalls selten gesehen.
Eine eingeschworene Fangemeinde hat der Film nicht nur in Deutschland und nachdem die alte DVD von Best Entertainment dem trashig angehauchten Kracher nicht wirklich gerecht wurde, horchte diese natürlich auf, als Subkultur
im Januar 2015 eine Restauration ankündigte. Dazu hatte man auch eine Kickstarter-Kampagne ins Leben gerufen, über die man in den folgenden
Jahren immer wieder interessante Update-Meldungen lesen konnten - tatsächlich dauerte es nämlich bis zum
Mai 2017, bis die heißerwartete VÖ in den Regalen stand. Das Herzstück ist dabei auch gleich der Anlass des vorliegenden Schnittberichts: Im Laufe der Arbeit ist Subkultur auf zusätzliches Material gestoßen und konnte die mutmaßlige Originalversion des Films rekonstruieren. Diese rund 5 Minuten längere "Langfassung" wird im folgenden Vergleich genauer untersucht.
Anfangs bemerkte man durch den einzeln aufgefundenen Original-Magnetton, dass da noch etwas mehr zu finden sein muss. Im sehr empfehlenswerten Restaurations-Featurette aus dem Bonusmaterial der VÖ wird hier die Erschießung von Heidi im Finale erwähnt. Tatsächlich sind Ton und Bild bei der jahrelang weltweit üblichen Kinofassung an mehreren dieser Schnittstellen auch leicht beschädigt, da es sich offenbar um hastig auf den letzten Drücker am Negativ vorgenommene Kürzungen handelte. Die damalige FSK-Prüfung als auch allgemeine Bedenken des Verleihers werden hier von Subkultur als Gründe vermutet. Für einen ausführlicheren Kommentar vom Label sei auf die zu Beginn des Schnittberichts dokumentierte Hinweis-Tafel auf der Disc verwiesen. Jedenfalls konnte man aus vielen kleinen Teilen nach und nach alle damals entfernten Szenen rekonstruieren, wie erstmals in dieser
Update-Botschaft zu lesen war.
Nach vielen Diskussionen erhielt man sogar überraschend noch einen riesigen Batzen Original-Negative, die anfangs als unbrauchbar eingestuft wurden und fertigte eine
zweite Abtastung in 4K an. Nochmal später erhielt man
Zugriff auf das komplette Archiv und konnte so endgültig verifizieren, dass man auch wirklich jeden Schnipsel Material gefunden und in bestmöglicher Form aufbereitet hatte. Neben dieser neuen Langfassung von 4K-Quelle ist noch die bekannte Kinofassung als 2K-Interpositiv-Abtastung enthalten und zusätzlich hat man noch die italienische Fassung in HD rekonstruiert. Diese ist gekürzt, reichlich umgeschnitten und bietet sogar etwas Alternativmaterial - Details folgen in einem separaten Schnittbericht.
Die neue Langfassung
Was kriegt man in den neuen 5 Minuten nun also zu sehen? Rein von der Laufzeit her fällt ein Großteil auf reine
Dialog-Erweiterungen. Zumindest z.T. kann man hier auch durchaus einen Zensurhintergrund interpretieren. So muss sich Luigi gleich zu Beginn von Regisseur Rolf Olsen in einem Gastauftritt ein paar herablassende Worte über all die Gastarbeiter gefallen lassen. Auch Heidi darf in einem längeren Quasi-Monolog den ermüdenden Trott gesellschaftlicher Zwänge anprangern und Marie Lotzmann gegenüber Christian den Sinn von Banküberfällen oder Polizistenmorden anzweifeln. Auf der Auto-Verfolgungsjagd hat Heinz Klett ebenso noch den ein oder anderen wütenden Kommentar übrig. Vergleichsweise sind diese Szenen dann aber doch eher harmlos, nichtsdestotrotz für die Charakterzeichnung sehr wertvolle Ergänzungen.
Subkultur hat jedoch auch eindeutige
Zensureingriffe bei Gewalt versprochen und zumindest einen solchen gibt es auch tatsächlich. Heidis Tod am Ende fällt nun deutlich länger aus und wird noch etwas in Zeitlupe zelebriert. Wirkt nun durchaus etwas runder, sonstige blutige Gewaltspitzen sind aber
nicht nochmal erweitert worden. Eine der bekanntesten Szenen des Films kann man hier aber auch schon erwähnen und sie leitet zugleich bereits zum folgenden letzten Abweichungs-Punkt über. Bei der Vergewaltigungs-Szene am Ende sind alle Momente aus Kletts Perspektive (-> Schlachthof-Aufnahmen) nun "unzensiert" zu sehen. In der bekannten Kinofassung wurde sein Gesicht hier stets über das Material geblendet und dies so deutlich abgeschwächt.
In der gleichen Szene findet man auch noch, wie vorab angekündigt,
mehr Sex. Opfer Daniela Giordano stellt sich in dieser Szene nämlich wiederum gleichgeschlechtlichen Sex vor und die entsprechenden Aufnahmen vom lesbischem Liebesakt bekommt man nun auch alle in voller Pracht zu sehen. Durchaus schon an der Grenze zur Pornographie und gut verständlich, dass man das damals irgendwie abschwächen musste für die breite Kino-Auswertung. Heutzutage und im Gesamtkontext dann aber eben doch schon wieder jugendfrei.
Noch ein paar Worte zur
deutschen Freigabe: Allgemein wurde davon ausgegangen, dass diese eine FSK 16 trug. Wie Subkultur im Zuge der Prüfung der Langfassung feststellen konnte und
hier ausführlich erklärt hat, wurde der Film so jedoch nur in einer
nochmal zusätzlich gekürzten Fassung freigegeben, die offenbar gar nicht auf Heimkino-Medien ausgewertet wurde. Die tatsächliche Kinofassung trug schon damals eine FSK 18 und diese wurde bei einer erneuten Prüfung im Jahre 2002 auch bestätigt. Subkultur war dann selbst überrascht, als sie 2016 selbst für die im Finale durchaus nochmal eine Schippe drauf legende Langfassung gleich eine FSK 16 erhielten. Die Kinofassung legte man der Vollständigkeit halber dann auch nochmal vor und erhielt so erwartungsgemäß dann nun auch ohne zusätzliche Kürzungen die 16er-Einstufung.
Laufzeitangaben sind nach dem Schema
Kinofassung / Langfassung
angeordnet
Anmerkung: Die Subkultur-DVDs aus der Kickstarter-Edition laufen (
wegen den durchaus auch zu 1/3 aus internationalen Interessenten bestehenden Kickstarter-Unterstützern) in NTSC. Entsprechend sind die Laufzeitangaben in diesem Fall für Blu-ray sowie DVD gleichermaßen anwendbar, bei der regulären deutschen DVD-Auflage soll aber eine PAL-Version enthalten sein.
Den folgenden Text findet man als "Hinweise zur Fassung" auf der Disc:
12:36 / 12:36-13:43
Heidis Arbeitskollegin verabschiedet sich ein klein wenig länger onscreen; "Ciao!" (
ersetzt übrigens ein bei der Kinofassung halb über den Beginn der dortigen Folgeeinstellung verlaufendes "Tschüss!")
Die Beiden gehen getrennte Wege, worauf man eine zusätzliche Szene an Luigis Arbeitsplatz zu sehen bekommt: Ein Tankstellen-Kunde (Regisseur Rolf Olsen selbst!) meckert etwas herum und hat allerlei unterschwellig rassistische Worte für seine Arbeiter übrig.
Olsen, zu einem anderen Mann am Auto: "Mit dem Auto nach Spanien. Das ohnt sich ja gar nicht. Ich würde viel lieber fliegen, aber ist ja wegen dem blöden Boot."
Mann: "Spedition. Ich tu mir das schon lange nicht mehr an, dass ich mit so nem Nachläufer über die Alpen schleiche."
Olsen: "Was fahren sie denn jetzt?"
Mann: "Ein Sea Ray 240s, D Cruiser. 8 Meter, zwei Turbo-Aqua-Motoren. Jeder mit 280 PS."
Olsen: "Prima Sache. Wir steigen jetzt auch um auf eine Chris Craft. Entschuldigen Sie mal."
Er dreht sich zum am Auto werkelnden Luigi; "Hey Luigi, wie lange brauchst du denn noch für die paar Liter Sprit? Himmel, Arsch und Zwirn!"
Luigi antwortet etwas auf Italienisch.
Olsen: "Und wer soll die Scheibe sauber machen? Ich vielleicht?"
Luigi sagt wieder was auf seiner Heimatsprache und fügt hinzu: "Es ist schwer bei diese Wetter. Keiner hat Zeit und alle sind so nervös."
Olsen: "Ja, ja. Bei uns ist deutsches Tempo, nix deutsche fa niente."
Der Mann mischt sich ein; "Bringen sie das erst mal den Brüdern bei. Auf die Mark sind sie scharf, auf Arbeit weniger."
Olsen: "Hab denselben Ärger in meinem Betrieb. 30 Türken und 40 Spanier, also, ich sage ihnen was..."
Mann: "Eine Farce, das Ganze. Unsere eigenen Leute haben ja keine Zeit mehr zum Arbeiten. Die müssen streiken und demonstrieren und Revolutionen vorbereiten..."
Olsen: "Ja, genau. Dafür dürfen wir die bloß ein bisschen entwickeln helfen, damit die uns eines Tages die Kehle durchschneiden. Armes Deutschland. Also auf Wiedersehen, hat mich sehr gefreut."
67,2 sec (= 1:07 min)
20:44 / 21:51-22:08
Christians "Das kann ich mir auch noch leisten" wurde in der normalen Kinofassung bereits halb über die Folgeeinstellung von Heinz gelegt.
Eigentlich bzw nun in der Langfassung sagt er es onscreen und fügt noch "Soll ich dich nicht begleiten?" an.
Heidi: "Nein, bitte nicht. Bis morgen."
Christian sagt auch "Bis morgen", während sie zur Tür gehen, wo er sich dann von ihr verabschiedet.
Christian: "Bitte zahlen."
Kassiererin: "Einen Orangensaft, einen Kaffee. 2,90."
Christian gibt ihr etwas; "Stimmt so."
Kassiererin: "Danke."
16,8 sec
27:31 / 28:55-30:12
Heidi spricht "...in einer Umgebung aufzuwachsen, von der er profitieren kann" noch onscreen zu Ende (in der KF wieder halb über die Folgeaufnahme verlaufend), dann folgt ein langer Dialog, in dem sie die gesellschaftlichen Zustände kritisiert.
Christian antwortet zuerst noch: "Nichts! Aber es wird immer Arme und Reiche geben. Privilegierte und Benachteiligte. Man muss deswegen dem Elend nicht hinterher rennen."
Heidi: "Nein, muss man nicht. Ich warte auf einen Millionär und Luigi sieht zu, dass er in eine Großfirma einheiratet. Ist es das, was du meinst?"
Christian: "Ihr fallt von einem Extrem ins andere. Vielleicht überlegst du dir mal, dass es auch einen Mittelweg gibt."
Heidi: "Hmm. Und wie sieht er aus, dieser Mittelweg? Ehe. Suche nach einem Heim für die Familie. Vielleicht findet man sogar irgendein Loch, das man sich mit Ach und Krach leisten kann. In irgendeiner Massensiedlung, draußen in der Vorstadt. Zwischen Bahndamm und Fabrikschornsteinen. Er muss die Drecksarbeit machen, weil ihm ja nichts anderes zusteht. Und sie geht tagsüber auch ins Büro, weil man es sich ja anders nicht leisten kann. Das Kind? Das Kind steckt sie in den Kindergarten. Abends holt sie es ab, dann fängt sie an zu kochen, zu waschen, aufzuräumen und das Baby zu versorgen. Wenn er hundemüde nach Hause kommt, dann wird gegessen. Dann schläft er ein vor dem Fernsehapparat oder hinter der Zeitung. Für den Fernsehapparat muss er noch die Monatsraten abstottern. Jahr aus, Jahr ein, immer das Selbe. Er wird es nämlich nie weiter bringen und wenn: Sind die schönsten Jahre dahin. Ich will nicht so dahin dämmern, Christian. Ich nicht."
Anmerkung: Das "Ich nicht" ist es übrigens auch, was man statt dem Rest des eingangs erwähnten Satzes eigentlich aus ihrem Mund hört, als das Bildmaterial wieder identisch ist. Christians folgendes "Vielleicht hast du Recht" wirkt so natürlich auch deutlich anders.
77,3 sec (= 1:17 min)
31:24 / 34:05-34:20
Heinz kommentiert am Steuer noch: "Ausgerechnet jetzt kommen diese blöden Schweine."
Luigi sagt etwas auf Italienisch ??? und fügt an; "Sag mal, willst du uns noch in den Graben fahren?"
Heinz: "Schnauze! Komm, pack die Handgranaten aus. Schmeiß sie ihnen aufs Dach!"
Wieder kommentiert Luigi etwas auf Italienisch, die Handgranaten bleiben aber im Auto.
15,4 sec
32:25 / 35:22-36:06
Das Auto saust etwas länger um die Ecke und ein Polizei-Käfer rast hinterher.
Wieder kommentiert Luigi auf Italienisch und übersetzt gleich mit: "Drück auf den Gas!"
Christian: "Fahr zu!"
Im Polizeiauto: "Steig drauf, die hängen uns sonst ab."
Der Kollege erwidert: "Ja, ich hab nicht mehr."
Erneut Luigi auf Italienisch und Heinz winkt ab: "Ja, du hast gut reden..."
Die Polizisten biegen um eine Ecke; "Da sind sie doch!"
Luigi: "Wie hängen wir sie ab?"
Er legt einen Kommentar auf Italienisch nach und sie fahren zuletzt noch etwas durch Nebel.
44,5 sec
65:45 / 69:26-70:07
Christian ist früher mit Marie zu sehen.
Marie: "Sehen sie, ich habe doch Recht. Sie sind anders. Das beginnt schon beim Namen."
Christian: "Sie täuschen sich gewaltig."
Marie: "Nein. Oder wollen sie mir vormachen, dass sie überzeugt davon sind, dass man nur mit Gewalt soziale Missstände beseitigen kann?"
Christian: "Revolutionäre Veränderungen finden nicht durch Gebete statt."
Marie: "Aber auch nicht durch Banküberfälle und Polizistenmorde!"
Christian: "Ich spreche jetzt nicht von uns."
Marie: "Aber ich!"
Christian: "Das war ein Akt der Selbsthilfe."
Marie: "Ah, ich verstehe. Privatregelung mit dem Kapital anderer."
Christian: "Besser wenig für alle, als zu viel für wenige."
Marie: "Sie reden sich ja schon wieder mit politischen Parolen raus. Aber darum geht es nicht!"
Christian: "Ich habe jetzt nicht die Nerven, mit ihnen weiter zu diskutieren!"
40,8 sec
74:33 / 78:55-79:16
Die Polizisten wehren etwas länger die Pressefritzen ab, als Geisel Helga nach draußen geführt wird.
Danach auch früher die Trippe im Auto.
Heinz: "Gut so. Fahr langsamer, sonst kriegen wir noch ne Verkehrsstreife auf den Hals. Mir scheint, die Hurenböcke haben Wort gehalten. Hinter uns ist keiner."
Luigi: "Und am Himmel?"
Heinz: "Bravo. 1:0 für dich. Aber bei dem Wetter kein Wunder."
21 sec
Alternativ
85:58-86:01 / 90:41-90:44
Als auf Kletts Auge gezoomt wird und dann Szenen vom Schlachthof laufen, gibt es in der Kinofassung weiterhin das Auge über den Aufnahmen eingeblendet. Die Langfassung zeigt die Einstellungen quasi "unzensiert".
Alternativ
86:03-86:06 / 90:46-90:49
Gleiches Spiel aus Dagmars Auge: Sie sieht stattdessen Sex mit einer anderen Frau.