Es kommt nicht jedem Tag vor, dass ein 15.000 Dollar-Amateurfilm, der bereits mehr oder weniger offiziell seit zwei Jahren durchs Internet geistert, das amerikanische Box-Office auf den Kopf stellt und selbst Big-Budget-Produktionen von der Spitze vertreibt - nachdem dieser besagte Amateurfilm bereits seit Wochen in den Kinos ist. Normal ist das nicht - sondern Paranormal. ;) Was für eine Überleitung...
Micah und Katie scheinen ein ganz normales junges, amerikanisches Pärchen zu sein. Gut, dass man sich mit Ende 20 bereits ein dickes Haus leisten kann, zumal die weibliche Hälfte des Paares noch Lehramtsstudentin ist, ist etwas unüblich - die Immobilienkrise in den US of A wird aber auch einiges dazu beigetragen haben - und so erfreuen sie sich an ihrem neuen Heim, finanziert durch Micahs Börsenspekulationen. Wie es hippe Twens heutzutage so tun, muss im digitalen Zeitalter selbstredend alles mit Kameras aufgenommen werden - so auch ihr neues Reich. Doch das neue Heim hat so seine Tücken. Es ist geräumig und frisch renoviert, dennoch macht es merkwürdige Geräusche. Ob tagsüber oder nachts, in unregelmäßigen Abständen knarschen die Dielen, ächzen die Leitungen - ein Baufehler? Wohl kaum, denn nachts wacht Katie auf und hört ein Trapsen im Treppenhaus. Micah nimmt sie nicht ernst und beschließt einfach seine Kamera im Schlafzimmer aufzustellen, um dort die seiner Meinung nach nicht vorhandenen nächtlichen Aktivitäten aufzunehmen...
Doch auch er ist bald davon überzeugt, dass sie nicht allein im Haus sind. Die paranormalen Aktivitäten nehmen stetig zu - in ihrem Auftreten, als auch in ihrer Stärke. Türen fallen zu, Kronleuchter wackeln, Bilder werden zerstört, undefinierbare Schatten legen sich über ihr Bett, nervenzerfetzende Schreie ertönen - Katie und Micah entscheiden einen Experten zu Rate zu ziehen, doch dieser hat keine positiven Nachrichten für das Paar. Im Haus befindet sich kein schnöder Poltergeist, der nur auf sich aufmerksam machen will, sondern ein Dämon - und vor diesem kann Katie nicht fliehen. Nicht das Haus ist verflucht, sondern sie selber. Ein Umzug wird nicht helfen, der Dämon wird sie überall hinfolgen. Derzeit kann man nur versuchen, den Schaden zu begrenzen und somit den Terror auszuhalten. Doch als Micah Tage später versucht über ein Ouija-Brett den Dämon zu kontaktieren, öffnet er damit eine Tür, die nicht mehr geschlossen werden kann. Mit jedem Tag gewinnt der Dämon an Kraft und Macht - Macht über Katie, die er seit Jahren verfolgt...
Was der israelische Nachwuchsregisseur Oren Peli mit lediglich 15.000 Dollar auf die Beine gestellt hat, zollt nicht nur einfach Respekt ab, sondern unterhält dazu auch noch ungemein - mehr als so mancher Big-Budget-Blockbuster. Und dabei ging das Budget gar nicht einmal für die Filmtechnik drauf oder irgendwelche besonderen Spezialeffekte. Auch nicht für die Gagen (500 Dollar für die beiden Hauptdarsteller), sondern in erster Linie für den Umbau Pelis Hauses. Der komplette Film wurde in seinen eigenen vier Wänden gedreht - um es spukfertig zu machen, musste er es umbauen und zusätzlich dazu unzählige Alltagsgegegnstände, sowie Mobiliar einkaufen, dass er selber nicht besaß - damit das Haus zum einen eben wie ein typisches Twen-Heim aussah und damit die ausgeklügelten Spukattacken auch Sinn ergaben. So hat er seine Treppe, sowie das erste Obergeschoß komplett mit Holz auslegen lassen, damit der Dämon nicht über einen stillen Teppich ins Schlafzimmer schleichen muss. Peli selber meinte dazu, das dies neben dem eigentlichen Erfolg, der schönste Nebeneffekt gewesen sei - endlich lebte er in einem normalen Haus und keiner Studentenbude mehr.
Doch der Erfolg blieb sehr lange aus. „Paranormal Activity“ ist kein neuer Film - sondern wurde bereits 2007 veröffentlicht. Seine eigentliche Premiere hatte der Streifen auf dem Slamdance-Filmfestival, wo er begeistert aufgenommen wurde. Peli fertigte unzählige DVD-Screener an, die er verschiedenen Studios zusandte - zeitweise wurde der Film sogar ins Netz hochgeladen, zwar nicht mit offizieller Genehmigung von Peli, allerdings begründete dies den eigentlichen Kult um den Film, der ihn bis an die Spitze des Box-Office tragen sollte, weswegen sich Peli verkneift negativ darüber zu sprechen.
Während vor allem in einschlägig bekannten Horror-Foren immer mehr User von „Paranormal Activity“ berichteten, war es Steven Spielberg höchstpersönlich, der sich der Veröffentlichung des Films annahm. Mehr durch Zufall gelangte er an einen DVD-Screener und war von dem Streifen so beeindruckt, dass er Paramount vorschlug den Film zu veröffentlichen. Da der Streifen allerdings bereits de facto öffentlich zugänglich war, entschied man sich einige Änderungen vorzunehmen. So wurden Soundeffekte entweder verstärkt oder abgeschwächt, einige Szenen hinzugefügt, vorhandene Szenen gekürzt (die Kino-Fassung ist fast 10 Minuten kürzer als der DVD-Screener) und das komplette Ende nachgedreht.
Genaugenommen gibt es zu „Paranormal Activity“ drei Enden - zwei wurden bereits 2007 gedreht, eines stammt von 2009, eben der Nachdreh nach Spielbergs Idee - von denen das Kino-Ende meiner Meinung nach sogar das Schwächste ist, da es dem Film seinen realistischen Touch nimmt. Man darf aber davon ausgehen, das Pelis Ur-Version, sowie das dritte, bisher unveröffentlichte Ende auf DVD erscheinen werden.
Die Frage, die sich nun stellt, ist natürlich, was diesen Film so besonders macht. Oftmals hört man, dass es sich hierbei nur um eine Kopie, oder einen Abklatsch des allseits-bekannten „Blair Witch Project“ handeln würde. Natürlich muss sich der Film diesen Vergleich gefallen lassen, ist er schließlich stylistisch ähnlich angelegt, aber im Grunde war es dies bereits. Peli schlägt andere Wege ein und die größte Stärke zieht der Film nicht aus dem Unbekannten vor dem die Protagonisten versuchen zu fliehen, sondern aus dem Bekannten dem sie in ihren eigenem, eigentlich wohl behüteten Heim ausgeliefert sind. Die Idee, die Kamera still wie eine Überwachungskamera im Schlafzimmer zu installieren ist absolut genial. Der Zuschauer kann dem Grauen somit nicht entfliehen. Er weiß wo das Grauen lauert, wo es herkommt, selbst wann es zuschlagen wird und er muss es qualvoll erwarten. Die Sekunden die verstreichen, bevor der allnächtliche Horror zuschlägt, sind fast schon so erschreckend wie der Horror selber. Und dieser beschränkt sich oft nur auf einfache visuelle und auditive Tricks, die gerade durch ihre Einfachheit so erschreckend sind. Ein perfekter Horrorfilmn, der absolut treu zum Genre ist und zu dessen Wurzeln zurückkehrt.
Fatality:
Auch wenn das Kino-Ende etwas enttäuscht, da es sich aufgrund seiner Effektlast auch nicht wirklich in den Film einbetten kann, kann ich jedem Horror- und Filmfan „Paranormal Activity“ nur ans Herz legen. Es ist nach Jahren endlich mal wieder ein in seiner Machart kompromissloser, spannender, unkonventioneller Grusel - der im Gegensatz zu sovielen Genrekollegen nicht versucht Ängste aufzubauen, sondern vorhandene Ängste mit simplen Tricks zu fördern. Natürlich wird der Film eben aufgrund seiner Machart polarisieren - die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn - ich kann nur sagen, dass es für mich eines der aufregendsten Filmerlebnisse der letzten Jahre war. Dafür die volle Punktzahl.
II. Die Enden
Nach Aussage von Hauptdarsteller Micah Sloat wurden bis zu 53 verschiedene Varianten des Filmendes gedreht. Ob diese verschiedenen Enden sich alle inhaltlich unterscheiden, konnte nicht festgestellt werden. Regisseur Oren Peli meinte dazu, dass es quasi drei verschiedene Hauptenden gäbe und die weiteren Enden nur als eine persönliche Option gefilmt wurden. Ideen wurden ausprobiert oder die drei existierenden Enden wurden leicht variiert. In einem Interview mit
Cinematical.com äußerte sich Peli folgendermaßen:
„Well, I filmed a whole bunch, but most of them no one has ever seen, they were just for my own options. There was one ending that was shown at some festivals, and then another ending that was shown publicly only the one time. And then the current ending, which we've had for more than a year now. [...] The original ending... I'll just say very briefly, the movie ends with cops entering the house to find the scene of the crime. The other one...there's been some talks about it on the internet, but I'd like to keep quiet on it for now. Maybe one day we'll see them all on the special edition DVD.“
Der letzte Satz dürfte die Fans des Films froh stimmen, denn das kommende DVD- und Blu-ray-Release enthält leider keinerlei Extras - mit Ausnahme des Trailers und dem sogenannten Unrated-Cut. Ob und wann wir letztlich einen Blick auf alle Enden werfen dürfen, steht allerdings in den Sternen.
II. a) Festival-Ende
Das Festival-Ende gehört zwar zu den bekanntesten - ist aber de facto nur ein semi-offizielles Ende, da es eben nur auf ausgewählten Festivals, zu Test-Screenings und auf dem DVD-Screener veröffentlicht wurde. Dieses Ende ist mit Abstand das Längste und zeigt Katie für mehrere Tage in einer Art Schockstarre, nachdem der Dämon von ihr Besitz ergriffen hat und sie Micah ermordete. Als plötzlich die Polizei auftaucht, verlässt der Dämon ihren Körper. Die irritierte Katie - nicht ahnend was vorsichgeht - läuft mit dem Messer in der Hand auf die Polizeibeamten zu. Der Dämon schlägt hinter ihnen eine Tür zu - durch den Schock erschießt einer der Beamten Katie.
II. b) Kino-Ende
Das Ende für die Kinoauswertung wurde komplett neugedreht und digital nachbearbeitet. Hier schmeißt die vom Dämon besessene Katie Micahs leblosen Körper in die Kamera, woraufhin das Stativ umgekippt. Dann riecht sie an dem Körper und starrt daraufhin direkt in die Kamera. Nach wenigen Sekunden verwandelt sich ihr Gesicht in eine Dämonenfratze, die auf die Kamera zurast. Abgesehen von der Tatsache, dass für die Kino-Fassung sämtliche Nachtszenen farbkorregiert wurden, hat man hier für den Wurf von Micas leblosen Körper, sowie Katies Dämonenfratze, natürlich auf CGI zurückgegriffen, was von einigen Fans kritisiert wurde, da es ein Bruch zu den sonst rein praktischen Effekten darstellen würde.
II. c) Unrated-Ende
Das Unrated-Ende wurde nur ein einziges Mal vor Publikum aufgeführt und danach aus dem Film geschnitten. Für die Blu-ray wieder ausgegraben, stellt dies nun mit dem Kino-Ende das einzig offizielle Ende dar. Hier starrt Katie, nachdem sie Micah ermordete, für einige Zeit in die Kamera, bis sie sich mit einem Küchenmesser die Kehle aufschlitzt und tot umfällt.
III.Schnittbericht
Verglichen wurde die Kinofassung mit dem sogenannten unrated-Cut verglichen. Beide Fassungen wurden von Paramount Pictures auf DVD und Blu-ray veröffentlicht.
| Kinofassung
Länge: 87 Minuten Altersfreigabe: FSK 16 |
| | Unrated-Cut
Länge: 86 Minuten Altersfreigabe: FSK 16 |
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Der Unrated Cut läuft etwas kürzer. Dies liegt am einzigsten Unterschied zwischen den beiden Fassungen - dem Ende, welches eine komplett neue Szene darstellt und rund 188 Sekunden kürzer ist.