Das Raumschiff Enterprise - wer kennt es nicht? Die heutzutage liebevoll als "classic series" bezeichnete alte Serie (im Original "Star Trek") von 1966 ist der Grundstein der größten Weltraumsaga überhaupt, in der noch fünf weitere TV-Serien und zehn Kinofilme folgen sollten.
Dieser Erfolg war bei der Erstausstrahlung nicht einmal zu erahnen. Unter knappsten budgets und Zeitplänen realisiert, ließen die Einschaltquoten stets zu wünschen übrig. Nur der massive Einsatz der schon damals treuen Fanbasis ermöglichte überhaupt, dass es die Serie auf 3 Staffeln brachte. Dann zog die auftraggebende NBC den Stecker und "Star Trek" schien tot.
Anfang der 70er Jahre wurde die Serie an sogenannte "syndicated"-Sender verkauft, kleinere, lokale Stationen, die "Star Trek" auf den besten Sendeplätzen ausstrahlten und eine Begeisterung für die Serie entfachten, die später zur Produktion der Kinofilme führen sollte. Und noch ein weiterer Sender kaufte die Serie ein - das ZDF. Ein mutiger Schritt für einen öffentlich-rechtlichen Sender der damaligen Zeit, allerdings auch nicht zu mutig: nur 26 ausgewählte Episoden bekam der deutsche Zuschauer zu sehen, 1973 weitere 13 der insgesamt 79 Folgen.
Leider erwarb das ZDF über Leo Kirch nicht die ursprünglichen NBC-Fassungen, sondern die syndicated-Fassungen, bei denen zahlreiche Episoden zu Gunsten von Werbezeit gekürzt worden waren. Die deutsche Übersetzung hangelte sich meist um diese Szenen herum, von Seiten des ZDF wurden zudem großzügig Schwarzbilder und jegliche Credit-Einblendungen herausgeschnitten. 1978 mussten die Episoden nochmals Federn lassen, um in das nunmehr gültige 45-Minuten-Sendeschema zu passen. Mit dem Zweiten sah man schon damals besser. Dieses doppelt gekürzte Paket wurde dann an den ORF und an Sat.1 verkauft und mehrmals wiederholt.
1994 ließ Sat.1 mit bemerkenswertem Aufwand die 1978 geschnittenen Szenen wieder einfügen, sodass die Episoden wieder so ausgestrahlt wurden, wie sie 1972/73 vorlagen. Müßig zu erwähnen, dass Sat.1 wenige Jahre später selbst wieder bei Werbezeitbedarf die Schere ansetzte. Die Ausstrahlungen bei Kabel 1 blieben von dieser Praxis verschont.
Erst mit der Veröffentlichung der europaweit identischen DVD-Editionen wurden komplett deutschsprachige Fassungen der ZDF-Episoden angeboten. Dazu erstellte Paramount Nachsynchronisationen, über deren Notwendigkeit man streiten kann. Die deutschen Vor- und Abspänne entfielen dadurch natürlich und werden von mir im SB nicht weiter aufgeführt. Im folgenden wird die Episode "Der Fall Charlie" in ihrer gekürzten TV-Fassung (1973) mit der ungekürzten DVD verglichen.
„Der Fall Charlie“ (OT: „Charlie X“) ist eine ungewöhnliche Episode, die die Charakterisierung des jungen Waisen Charlie in den Mittelpunkt stellt. Der pubertierende Junge, der mit übernatürlichen Kräften ausgestattet ist, wird rasch zu einer enormen Bedrohung für das Schiff. Eine gelungene, und für ZDF-Verhältnisse ungewöhnlich ernste Episode. Neben einigen unbedeutenderen Schnitten weist die deutsche TV-Fassung auch einen echten Zensurschnitt auf. Zwischen 1978 und 1994 wurde eine noch deutlich stärker gekürzte Fassung ausgestrahlt.
Es fehlen bei 5 Schnitten insgesamt ca. 1 Minute und 43 Sekunden, hinzu kommt noch 1 Tonzensur.
03:37
Direkt nach dem Vorspann fehlt eine Aufnahme der Enterprise mit der Einblendung des Episodentitels.
8 sec
29:49
Ein Teil des Gesprächs im Konferenzraum wurde in der deutschen Fassung geschnitten.
Kirk: "Short-tempered. Because he doesn´t understand. He needs, he wants. Nothing happens fast enough."
Spock: "Probability is, he is responsible for the destruction of the Antares, which would indicate a total disregard for human life."
Kirk: "He doesn´t understand, what life is, he is a boy!"
McCoy: "What would we do with this boy, Jim? How do we keep him caged up?"
Kirk: "It goes even further than that, Doctor. We can´t take him with us to Earth Colony 5. ´an´a imagine what he would do in an open, normal environment?"
28 sec
34:47
Als Rand Charlie abblitzen lässt, geht er bedrohlich auf sie zu. In der deutschen Fassung wurde die dann folgende Abblende mit Schwarzbild entfernt, sowie eine Außenaufnahme der Enterprise. Erst danach wird die Szene in Rands Quartier fortgesetzt, in der deutschen Fassung läuft sie in einem Stück, was man am mäßig verschnittenen Ton erkennen kann.
8 sec
36:22
Bei "Raumschiff Enterprise" sind leichte Abschwächungen und Verharmlosungen der Dialoge an der Tagesordnung. In diesem Fall könnte jedoch ein zensurbedingter Hintergrund bestehen. Nachdem Charlie Kirk und Spock aus ihrer Starre entlassen hat, erhebt Kirk sich und fordert auch Spock dazu auf. In der deutschen Fassung reagiert dieser mit: "Captain, ich kann meine Beine nicht bewegen." Im Original sagt er jedoch: "My legs... they´re broken.", also dass seine Beine gebrochen sind!
Kein Zeitunterschied
38:25
Hier erfolgt in der deutschen Fassung ein echter Zensurschnitt, der einige für die Verhältnisse der Serie wirklich heftige Szenen entfernt.
Charlie läuft auf dem Gang Amok. Eine junge Frau tritt aus ihrer Kabine und geht an Charlie vorbei. Dieser dreht sich um, und lässt sie rapide altern. Die Frau betrachtet ihre Hände, berührt ihr Gesicht und beginnt zu kreischen.
Charlie geht weiter, man sieht die Schatten einiger Crewmitglieder, die sich lachend unterhalten.
Charlie: "No. No laughing!"
Charlie macht eine Kopfbewegung, die Leute erstarren und Charlie läuft weiter. Eine Frau tritt stöhnend um die Ecke, und man sieht, dass sie kein Gesicht mehr hat.
30 sec
47:01
Die deutsche Fassung zeigt ihren selbstgebastelten Abspann deutlich früher. Es fehlt eine Einstellung des leeren Hauptbildschirms, dann fährt die Kamera von der konsternierten Crew weg, verschiedene credits werden eingeblendet, McCoy und Rand verlassen die Brücke. Eine letzte Aufnahme der Enterprise beschließt die Episode.
29 sec