The Raid 2 - Eine Steigerung zum ohnehin fantastischen Erstling
Im Kern ist The Raid 2 eigentlich ein ziemlich altmodischer Film. Wie der walisische Regisseur Gareth Evans im Making Of erklärt, ist er ein Liebhaber der Werke von John Woo und Kollegen, die früher ihre Actionszenen noch so inszenierten, dass man als Zuschauer tatsächlich sehen konnte, was sich abspielte. Die Kamera fing die kämpferischen Auseinandersetzungen damals noch ganz anders ein. Heute spielt sich vieles im Kopf des Publikums ab, unterstützt durch dominante Soundeffekte und schnelle Schnitte, an deren Ende man oft genug festhalten muss: eigentlich hat man gar nichts gesehen. Hiervon demonstrativ genau das Gegenteil zu tun, war schon für The Raid: Redemption der Trumpf, der ihn für die heutige Zeit so besonders macht und seine euphorische Beliebtheit erklärt. Die inszenatorische Gnadenlosigkeit und die Konsequenz, mit der die Kamera draufhielt, beeindruckte Filmfans, die schon befürchteten, nur noch zu den Klassikern im Regal greifen zu können, um den Wackelkameraorgien heutiger Mainstreamaction zu entkommen.
Und das, obwohl The Raid: Redemption mehr oder weniger aus der Not heraus geboren wurde, weil Regisseur Evans über Jahre nicht die nötige Finanzierung zum verhältnismäßig teuren Berandal, der letztlich The Raid 2 wurde, einsammeln konnte und sich somit auf eine Vorgeschichte konzentrierte, die dank der begrenzten Location für weniger Geld entstehen konnte. Doch bei all dem verdienten Lob für die Action im Erstling sollte schon noch erwähnt werden, dass dessen Storygerüst aufgrund der verworfenen Pläne mit Berandal allenfalls zweckmäßig daher kam. Für die zahlreichen Kämpfe brauchte es keine ausgeklügelten, erzählerischen Kniffe. Wenn es also einen Kritikpunkt gab, war es dieser. Und wenn man sich dessen bewusst wird, muss die Steigerung, die The Raid 2 nun nochmal darstellt, eigentlich niemanden mehr überraschen. Anstatt einer simplen Kopie mit mehr Wumms, aber ohne echte Eigenständigkeit, wie es im Sequelbusiness zu häufig ein bewährtes Rezept ist, stellt der Nachfolger eine optisch und erzählerisch deutlich andere, größer angelegte Weiterführung dessen dar, was im ersten Teil gestartet wurde. Weil sowohl Action als auch Geschichte - bis auf einige Anpassungen an den neu erschaffenen Vorgänger-, bereits vor dem 1. Teil über einen langen Zeitraum ausgeklügelt wurde und nicht nur als Schnellschuss noch mehr Geld an der Kinokasse einsammeln sollte.
Die Choreographien sind atemberaubend, die Bildsprache dank der unterschiedlichen Locations deutlich abwechslungsreicher und in Sachen Härte setzte man auch noch einen drauf und so fordert der Film vom Zuschauer mit seinen 150 Minuten zwar einiges an Sitzfleisch, belohnt ihn aber auch immer wieder für seine Geduld. Es ist schon sehr schade, dass Evans den 3. Teil mittlerweile nicht mehr machen will.
The Raid 2 - Uncut in Deutschland, zensiert in den USA
Nachdem The Raid bei der MPAA erst nach 2 Schnitten sein R-Rating bekam, war es nur konsequent, dass auch der Nachfolger dieses Schicksal teilt. Schon vor US-Kinostart gab Gareth Evans via Twitter freimütig zu, dass Zensuren vorgenommen werden mussten, allerdings sei er sehr froh über das geringe Ausmaß der Eingriffe, das sich lediglich im Framebereich abspielen sollte. Generell ist man wohl gut beraten, wenn man so eine Aussage von einer involvierten Person mit etwas Vorsicht genießt, aber letztlich war die Umschreibung schon sehr akkurat. Rein von der Anzahl sind die Schnitte deutlich mehr als noch beim Vorgänger, aber teilweise so minimal, dass man es mit bloßem Auge wohl kaum erkennen würde, wenn man die zensierte Fassung schaut. Das Motto war hier eindeutig Reduzierung anstatt Entfernung und das Schneiden von ein paar Frames kann man bei manchen Stellen allenfalls als Kosmetik bezeichnen. Viele brutale Stellen blieben unangetastet, ihrer generellen Wucht wurden die Auseinandersetzungen nicht beraubt.
Dennoch möchte man als Filmfan von Zensur schon aus Prinzip möglichst verschont bleiben und in der Hinsicht durften deutschsprachige Konsumenten im Falle dieses Films durchgängig im schnittfreien Luxus schwärmen. Nicht nur wertete Rechteinhaber Koch Media die von den MPAA-Zensuren komplett unbehelligte Fassung aus, sondern bekam von der FSK sowohl für die Kinoauswertung als auch für das DVD/Blu-ray-Release ohne Beanstandungen die "Keine Jugendfreigabe"-Einstufung. Bei dem Level an Brutalität für nicht wenige Beobachter durchaus bemerkenswert. Nicht so viel Glück haben US-Konsumenten, die die geschnittene R-Rated-Variante nicht nur in den Kinos sahen, sondern auch auf DVD/BD kredenzt bekommen. Ein seltenes Gegenbeispiel, das zeigt, dass es auch mal anders laufen kann. Genießen wir es, so lange es dauert.
Verglichen wurde die US-Kinofassung (R-Rated) (enthalten auf US-DVD/Blu-ray von Sony Pictures) mit der ungeschnittenen Originalfassung (enthalten auf der britischen BBFC 18-Blu-ray von Entertainment One).
9 Schnitte = 4,56 Sekunden