Drive hat viele kalt erwischt. Man wusste nicht recht, was man nach dem Trailer erwarten sollte. Für ein Roadmovie á la Tarantino war das Ambiente zu unaufgeregt, für eine moderne Bullitt-Variante war es zu düster. Was das Duo Winding Refn/Gosling hier geschaffen hat, ist ein Film, der eine eigenartige und höchst seltene Anziehungskraft ausstrahlt. CGI-Effekte, Schnitt-Stakatos und unrealistische Actionszenen sind in Hollywood Alltag, von dem sich Drive klar abgrenzt und somit fast schon zu sowas wie einem Exoten wird, der vielleicht auch deswegen auf so viel erstauntes Wohlwollen bei Kritikern und Zuschauern trifft. Winding Refns hypnotische Bildsprache und Erzählweise wird durch Goslings beinahe schon minimalistisches Spiel perfekt ergänzt. Jäh durchbrochen wird dieser stilistische Rausch dann von Gewaltszenen, die in ihrer Heftigkeit überraschen. Man kann das verständlicherweise ablehnen und fragen, ob das nötig ist. Man kann aber auch versuchen zu ergründen, warum sie vorhanden sind, etwa um zu demonstrieren, dass hinter dem so arglos wirkenden Driver vielleicht auch eine Art Monster steckt, das seinen Feinden erbarmungslos gegenübertritt, wenn es sich oder ihm wichtige Menschen in Gefahr wähnt. Außerdem könnte es auch bedeuten: Lass dich nicht einlullen von Optik und Musik, es ist immer noch eine brutale Gangsterstory. Diese Konsequenz in allen Bereichen ist beachtenswert und macht aus Drive völlig zurecht einen der besten Filme des Jahres und eben weil er nicht so modern ist wie andere Werke, die mit zwanghafter Coolness und Ästhetik zu hart versuchen, was hier mit spielerischer Leichtigkeit gelungen ist: ein Kultfilm.
Die bereits erwähnten brutalen Auswüchse bescherten dem Film in seiner ungeschnittenen Fassung völlig zurecht die "Keine Jugendfreigabe"-Einstufung der FSK. So kam er auch in die deutschen Kinos. Dann überraschte Rechteinhaber Universum Film jedoch, als sie wenige Tage nach dem Kinostart eine gekürzte FSK 16-Fassung prüfen ließen und diese neben der Uncut-Version in die Kinos brachten. Möglicherweise war man selbst von der sich schnell verbreitenden Mundpropaganda überrascht und wollte mit diesem Schritt ein größeres Publikum erreichen. Später erschien dann zunächst nur die unzensierte Fassung von Drive auf DVD und Blu-ray. Doch wenn man die FSK 16-Fassung schonmal parat hat, warum nicht auch irgendwie veröffentlichen. Genau das tat Universum Film im Rahmen seiner mit vielen Arthouse-Filmen bestückten "Große Kinomomente"-Reihe. Für Sammler der Reihe ist das natürlich unerfreulich, zumal es sich nicht damit erklären lässt, dass man hier generell keine 18er-Filme bringt, denn das war in der Vergangenheit durchaus der Fall (z.B. Shortbus).
Die Zensuren der 16er-Fassung sind zudem überraschend zahlreich ausgefallen. Konnte man erst mutmaßen, dass Schnitte in den brutalsten Momenten ausreichen, um die niedrigere Freigabe zu erreichen, ging man hier dann doch deutlich gründlicher vor und arbeitete teils mit Alternativmaterial, damit es nicht so auffällt. Auch die Differenz des geschnittenen Materials ist also eigentlich größer als es letztlich nach der Addierung der Schnitte aussieht. Dennoch wird die schon länger erhältliche und sicherlich weiter verbreitete "Keine Jugendfreigabe"-Fassung weiterhin die dominante Fassung des Films darstellen und das ist die Hauptsache.
Verglichen wurde die geschnittene FSK 16-DVD mit der ungeschnittenen FSK Keine Jugendfreigabe-DVD (beide von Universum Film).
14 Schnitte = 55,4 Sekunden
0:39:29: Als der Driver dem Kriminellen sagt, dass er "seine Fresse" halten solle, ist das alles, was er in der FSK 16-Fassung von sich gibt. In der unzensierten Version fügt er noch hinzu: "
Oder ich stopf dir die Zähne in den Hals, damit du endlich still bist.".
Außerdem bediente man sich bei der 16er-Fassung eines Kniffs, indem man den Kriminellen nochmal in einer kurzen Einstellung zeigt, die es zuvor schonmal gab.
3,72 Sec.
0:59:12: Der ultrabrutale Kopfschuss bei Blanche fehlt selbstverständlich in der FSK 16-Fassung. Es wirkt hier so, als würde der Schuss den Driver treffen, wohingegen man nur spekulieren kann, was mit Blanche passiert.
2,64 Sec.
0:59:42: Der zweite Stoß gegen die Tür, vor der die Matratze liegt, fehlt. Dieser Eingriff macht auch im späteren Verlauf nicht wirklich Sinn.
0,84 Sec.
0:59:46: Es fehlt die kurze Aufnahme, wie der Gangster von der Eisenstange blutig aufgespießt zu sehen ist. Er röchelt.
0,96 Sec.
0:59:48: Die Ansicht aus der Vogelperspektive im Badezimmer zeigt normalerweise, wie die Stange im Hals des Gangsters steckt und viel Blut aus seiner Wunde sprudelt, während der Driver die Shotgun an sich nimmt. Da das für den weiteren logischen Verlauf der nachfolgenden Szene nicht ganz unwichtig ist, entschied man sich, zu zoomen, anstatt zu kürzen. Der Fokus liegt jetzt auf dem Driver, während die zahlreichen Blutspritzer im Bad nur andeuten, was eigentlich zu sehen ist.
Kein Zeitunterschied
FSK 16 | Keine Jugendfreigabe |
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1:02:51: Der Driver schlägt noch zwei weitere Male schnell auf die Hand von Cook ein.
1,4 Sec.
1:03:32: Es wurde ebenfalls gekürzt, wie der Driver Cook die Patrone in den Mund steckt und ihn zwingt, sie zu schlucken.
6,28 Sec.
1:03:47: Der Driver hält etwas länger inne und erhebt sich dann. Im Off hört man The Cook weiter hustend gurgeln. Ob das jetzt Zensur ist, sei mal dahingestellt.
2,6 Sec.
1:10:11: 14 weitere Male tritt der Driver auf den Mafioso ein. Meistens passiert das im Off, doch einmal sieht man auch kurz, wie das "Gesicht" des Mannes durch die Wucht der Tritte blutig zusammenfällt.
12,04 Sec.
1:14:48: Die Gabel steckt im Auge von Cook.
3,44 Sec.
1:14:53: Wie Bernie das Küchenmesser mehrmals blutig in Cooks Hals sticht, fehlt natürlich auch in der 16er. Die Laufzeitdifferenz wurde aber etwas gemindert, indem man in der gekürzten Fassung erneut Nino zeigt, der bedauernd dreinschaut, während sein Partner Cook als Zeugen beseitigt.
3,64 Sec.
1:17:52: Als der Schnitt in den Arm zum Ende hin sehr blutig wird, entfernte man 3 Frames hiervon.
0,12 Sec.
1:17:54: Und auch hier wurde die Ansicht des verletzten und blutenden Arms verkürzt. Ein Laufzeitunterschied entsteht jedoch nicht, denn wieder behalf man sich des Einsatzes von alternativem Material, indem man eine später folgende Ansicht von Shannon auch schon früher einsetzt.
Kein Zeitunterschied
1:24:39: Als der Driver Nino in den Fluten ertränkt, wird das ja selbst in der Uncut-Fassung recht stilsicher inszeniert und keineswegs ausgewalzt dargestellt. Trotzdem fand man das wohl zu hart für die FSK 16-Version und setzte daher die Überblendung zur Skyline wesentlich früher an.
17,72 Sec.