1.) Zum Thema „exklusive“ R-Rated-Fassungen:
Einleitung
In den vergangenen Monaten kam es in deutschen Sprachraum gehäuft zu Fällen, in denen Filme im Vergleich zu ihren Originalfassungen nur in einer zensierten oder zumindest gekürzten Form veröffentlicht wurden, teilweise sogar mit widersprüchlichem Uncut-Hinweis. Dies führte dann zu verständlichem Ärger der wartenden und meist überraschten Kunden.
Feast,
Feast II,
Rogue,
Storm Warning,
Children of Wax sind nur einige dieser Fälle. Der folgende Beitrag versucht hier etwas Klarheit zu schaffen und erklärt wiederholend und zusammenfassend einige dem regelmäßig vorbeischauenden Leser bereits bekannte Fakten, um diese anschließend, soweit möglich, zu vertiefen. Dabei wird auch auf einige in der Vergangenheit zurückliegende Einzelfälle eingegangen, die mit diesem Schnittbericht nichts zu tun haben.
Politik der Doppelveröffentlichungen: Rated und Unrated
Hinlänglich bekannt ist seit langem, dass in den USA von einem Film häufig zwei Fassungen erscheinen: Eine von der MPAA geprüfte Version und eine werbewirksame Unrated-Version. In der Vergangenheit wurde – auch auf dieser Seite – häufig angenommen, dass vor allem einige wirtschaftlich besonders einflussreiche US-Handelsketten keine Unrated-Versionen in ihr Programm aufnehmen. An erster Stelle seien hier Walmart als wichtigster Absatzmarkt für DVDs und Blockbuster als größte Videothekenkette zu nennen.

Fakt ist jedoch, dass beide Ketten seit langem auch Unrated-Versionen im Programm haben. Lediglich die äußerst selten vorkommenden NC-17-Titel werden nicht ins Programm aufgenommen. Unrated-Versionen, die jedoch von der MPAA bei Vorlage ein NC-17 erhalten hätten, sind in der Regel kein Problem und finden sich auch haufenweise in den Regalen dieser Ketten. Zwar sprang man hier später auf den Unrated-Zug auf als z.B. die Konkurrenz von Amazon.com oder Best Buy und lehnte darüber hinaus sogar einige Unrated-Versionen wie etwa Old School oder Requiem for a dream explizit zum Verkauf ab. Spätestens seit Unrated-DVDs jedoch zu einem Massenphänomen geworden und die Absatzzahlen nicht mehr zu missachten sind, änderte man diese Politik.
Im FAQ von Blockbuster heißt es z.B. ausdrücklich zu diesem Thema:
All films carried by BLOCKBUSTER stores and BLOCKBUSTER Online carry ratings that have been established by the Motion Picture Association of America, Inc. In order to provide a wholesome environment for you and your family, we generally do not carry films with ratings of NC-17 or X. […] Unrated films not containing material suitable for all audiences are designated by BLOCKBUSTER as restricted and marked with a YRP sticker. |
Auch bei
Walmart sind sowohl
online als auch in den einzelnen Kaufhäusern die Unrated-Versionen zu finden. Das betrifft auch und gerade die Fälle, bei denen eben zwei Versionen auf dem Markt sind.
Nichtsdestotrotz werden auch die R-Rated-Versionen in diesen Unternehmen angeboten. Aber eben nicht zwingend und keinesfalls häufiger als das Unrated-Pendant. Es kann daher an dieser Stelle nur gemutmaßt werden, warum dennoch zwei Fassungen erscheinen. Eine Erklärung wäre, dass dies in Teilen der USA unterschiedlich gehandhabt wird: Während Filialen in konservativen Landesteilen eher die R-Rated-Version ins Regal stellen, ist dies in anderen Regionen nicht nötig. Zwar lässt sich auch hierfür keine durchgängige Bestätigung finden, dies bleibt jedoch eine der plausibelsten Erklärungen.
Gerade bei
Blockbuster lässt sich der Kreis jedoch enger zusammenziehen. Offenbar zieht man hier überwiegend im (Online-)Verleihsektor die R-Rated-Versionen vor, während man in den
Blockbuster Stores in der Regel auch die Unrated-Version erwerben kann. Gerade im Verleihgeschäft, wo man überwiegend auf die R-Rated-Fassungen zurückgreift, um so dem familientauglichen Image gerecht zu werden, führt dies auch in den USA zu erbosten Kunden. Beispiele:
Hier,
hier und
hier. Verärgert wird dann häufig vorschnell vermutet,
Blockbuster zensiere die DVDs selbst. Davon kann aber wohl nicht ausgegangen werden…
Exklusive R-Rated-Versionen
Wann von einem Film sowohl eine R-Rated-Fassung, als auch eine Unrated-Version veröffentlicht wird, kann in der Regel durch das Verfolgen von US-DVD-Seiten oder dem bis dato weitgehend als abschließend anerkannten, umfangreichen Katalog von
Amazon.com nachvollzogen werden. Und genau hier wird es interessant: Einige R-Rated-Fassungen tauchen weder in den Presseankündigungen der Labels auf, sodass sie folglich auch nicht auf den gängigen US-DVD-Seiten erwähnt werden, noch finden sich diese R-Rated-Version im Katalog von Amazon.com oder sonst einem Versandhändler wieder. Lediglich das Unrated-Pendant wird gelistet.

Dies betrifft insbesondere Filme, die von dem Label The Weinstein Company, zu denen auch die Sub-Label Dimension bzw. Dimension Extreme gehören, veröffentlicht werden. Weinstein und Blockbuster schlossen 2006 einen Dreijahresvertrag, der Blockbuster das Recht zuspricht, die Titel dieser Labels exklusiv im Verleih anzubieten. Die Cover der jeweiligen Filme ziert dann auch häufig ein auffälliger Blockbuster Exclusive-Schriftzug. Im Rahmen dieses Abkommens wäre durchaus denkbar, dass man sich im Hause Weinstein bzw. Dimension dazu bereit erklärte, von bestimmten Filmen passende R-Rated-Versionen anzufertigen, um der familienfreundlichen Politik des Vertragspartners besser Rechnung zu tragen. Aus diesem Grund scheinen vor allem Titel der Dimension Extreme-Reihe betroffen, denn von zahlreichen Unrated-Versionen dieser Reihe existiert auch ein bislang nicht weiter bekanntes R-Rated-Pendant. Von vielen allerdings auch nicht: Einige Titel der Reihe sind ausschließlich als Unrated-Version erhältlich. Daher wäre ebenso eine mögliche Erklärung, dass man in einigen Fällen schon eine R-Rated-Version angefertigt hatte, etwa weil man über ein limitiertes Kinorelease nachdachte, und eben diese von Blockbuster für den Verleihsektor dankend angenommen wurde. Fakt ist jedenfalls, dass diese exklusiven R-Rated-Versionen nach zahlreichen Berichten (s.o.) vor allem im Blockbuster-Verleih zu finden sind.
Da diese R-Rated-Versionen jedoch aller Wahrscheinlichkeit nie für sämtliche Endabnehmer gedacht waren, tauchen sie auch nicht in der offiziellen Presseankündigung bzw. gängigen DVD-Seiten oder im Katalog von Amazon.com auf.
Exklusive R-Rated-Version: Gekürzt ja, zensiert nicht unbedingt
Allerdings werden nicht alle exklusiven R-Rated-Versionen tatsächlich zum Erreichen dieser Freigabe auch zensiert. Insofern unterscheidet sich die Geschichte hier nicht sonderlich von den übrigen Doppelveröffentlichungen. Auch dort gibt es immer wieder so genannte Mogelpackungen, die nur suggerieren sollen, dass man hier eine unzensierte bzw. härtere Version zu Gesicht bekommt. Während auch in der Dimension Extreme-Reihe einige Filme von Anfang an unzensiert als R-Rated-Version erscheinen, kann es genauso vorkommen, dass ein Film, der an sich ohne jeden Zweifel das R-Rating erhalten hätte, aus Werbezwecken dennoch als Unrated-Version vermarktet wird. Existiert dann zusätzlich noch eine R-Rated-Version, bedeutet das nicht, dass diese zensiert ist.

So etwa geschehen bei dem relativ blutleeren australischen Krokodilhorror Rogue. Der Film erschien in den USA als Unrated-Version im Rahmen der Dimension Extreme-Reihe. Offenbar fertigte man jedoch auch hier eine gekürzte Version an. Zumindest nach Aussagen von Kinowelt lizenzierte man nur die kürzere R-Rated-Version, die dann bekanntlich auch in Deutschland erschien. Da für das R-Rating jedoch keinerlei Zensureingriffe erforderlich waren, entfernte Dimension kurzerhand einige Handlungsszenen. Möglicherweise auch, um den Film für den US-Markt zu straffen. Die vollständige Version trägt dennoch einen blutigen Unrated-Schriftzug, um zu suggerieren, dass es hier härter zur Sache geht. Auch bei Feast III haben die Änderungen keinerlei Zensurhintergrund und sind als bloße Alibikürzungen abzuhaken, um neben der R-Rated-Version noch die werbewirksame Unrated-Version bringen zu können.
Export ins Ausland – Die Auswirkungen auf deutschsprachige DVDs
Wie wirkt sich diese Politik der exklusiven R-Rated-Versionen jetzt auf deutsche Veröffentlichungen aus? Zunächst ist auch hier denklogisch festzuhalten, dass nun zwei Versionen existieren, von denen jeweils beide in andere Länder exportiert werden können. Insofern unterscheidet sich die Situation nicht von derjenigen, in der ein Label in den USA zwei Fassungen veröffentlicht und dies auch von vorneherein ankündigt. Existieren zwei Versionen, besteht also per se die Gefahr, dass im Ausland nur die kürzere Fassung, in der Regel die R-Rated-Version, lizenziert wird. Und in einigen Fällen hat sich diese Gefahr dann auch konkret realisiert, eben weil von Filmen wie
Rogue,
Feast,
Feast II,
Storm Warning,
Children of Wax usw. nur die kürzere Fassung exportiert wurde. Ob die kürzere Fassung tatsächlich schlechter ist, sei hier mal dahingestellt.

Existieren nun aber zwei unterschiedliche Schnittfassungen, ohne dass dies irgendwo nachzulesen ist, so ist das lizenzerwerbende ausländische Label diesbezüglich auf Informationen des lizenzierenden Labels angewiesen. Und genau hier scheint es teilweise zu haken. Im Falle von Storm Warning und Feast lizenzierte das deutsche Label offenbar lediglich die R-Rated-Version – und dies höchstwahrscheinlich unwissend. Denn dass eine zensierte R-Rated-Version überhaupt existierte, kann durch eigene Recherche nun schwerer herausgefunden werden. Insbesondere handelt es sich im Falle von Storm Warning nicht mal um einen US-Film, sondern um eine australische Produktion. Man könnte den deutschen Labels allenfalls vorwerfen, nicht vorsichtshalber nach einer solchen Fassung gefragt zu haben. Allerdings existierten für das Vorhandensein einer solchen Version ja gerade keine weiteren Anhaltspunkte, weshalb im Prinzip auch kein Grund für weiteres Nachfragen bestand. In den USA kommt es immerhin sehr häufig vor, dass ein Film ausschließlich werbewirksam als Unrated-Fassung veröffentlicht wird. Den Schwarzen Peter muss man hier wohl eher Weinstein bzw. Dimension in den USA zuschieben, die in einigen Fällen bei den Lizenzierungsvereinbarungen scheinbar mit mangelhafter Informationspolitik aufwarteten.

So kam es dann, dass die deutsche DVD von Feast, veröffentlicht von Senator, einen „Unrated“-Hinweis auf dem Cover trägt, während Koch Medias DVD von Storm Warning mit Uncut Edition beworben wird (letztere mittlerweile nicht mehr, da beschlagnahmt). Beide Fassungen sind jedoch ersichtlich zensiert. Dass es sich dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade nicht um deutsche Zensuren handelt, zeigt schon die Art der Eingriffe: Insbesondere das Verwenden von alternativem Bildmaterial, kurzer Frameschnitte und das Entfernen von Szenen mit sexuellem Bezug (Spermaszene bei Feast / Vergewaltigung bei Storm Warning) sind typisch für zensierte US-Schnittfassungen. Darüber hinaus erschien die R-Rated-Fassung von Feast zumindest auch in Ungarn. Hierfür spricht außerdem, dass gerade Filme aus der Dimension Extreme-Reihe besonders betroffen sind.
Mithin kann man wohl eher nicht davon ausgehen, dass die deutschen Labels hier bewusst Etikettenschwindel und Betrug am Endkunden betreiben wollten, denn die Uncut-Hinweise der deutschen DVDs sind eher ein Indiz dafür, dass man gerade die ungekürzte Version veröffentlichen wollte und auch davon ausging, dies zu tun. Ein derartiger Image-Verlust durch Falschetikettierung war wohl kaum beabsichtigt.
2.) Fassungen und Schnittbericht:
In den USA erschien von dem spannenden und überraschenden Horrorthriller
Martyrs sowohl eine zensierte R-Rated-Fassung, als auch die unzensierte Version (Unrated). Während der Film Deutschland erfreulicherweise völlig ungekürzt erschien, musste für das R-Rating massiv die Schere angesetzt werden. 58 Schnitte mit fast 3 Minuten Gesamtschnittzeit rauben dem Film die größten Härten. Glücklicherweise ist die die Unrated-Version die deutlich verbreitetere Fassung.
58 Schnitte = 2 Min. 53,9 Sec. (173,9 Sec.)
Verglichen wurde die
gekürzte R-Rated Fassung der US DVD von The Weinstein Company mit der
ungekürzten, französischen Originalfassung, enthalten auf der österreichischen DVD von NSM