07.11.2019 04:55 Uhr schrieb KKinski
Hast du Kinder? Falls ja, sind sie schulpflichtig? Falls auch ja, dann befasse dich mit dem Medienkonsum ihrer Mitschüler. Du wirst sofort für strengere Regeln sein. Glaub mir, bevor ich Kinder hatte, habe ich auch anders gedacht. Und noch etwas, bevor Du hier das nächste Mal so einen Roman zu dem Thema reinhaust, befass dich auch mal mit dem Sinn des Altersfreigabesystems in Deutschland. Gewaltdarstellungen und sexuelle Handlungen werden nicht immer gleich gewertet. Es kommt immer darauf an. Gerade den Film hier, wollte ich nicht, dass ihn meine Kinder sehen. Bei einem Antikriegsfilm mit dem gleichen Gewaltgrad wäre das vielleicht was anderes. Ein Film über den Nationalsozialismus dürften sie sich ebenfalls ansehen, der wäre trotz Härten auch ab 12.
Nein, ich habe selbst keine Kinder, aber wie Rigolax bereits erwähnt hat, arbeite ich tatsächlich als Lehrer und habe somit einen sehr umfassenden Eindruck davon, was 11-17jährige so ansehen.
Ich habe seit 30 Monaten nicht viel anderes getan, als mich mit dem "Sinn" der Altersfreigaben in Deutschland zu beschäftigen, bin aber recht bald zu dem Ergebnis gekommen, dass sie eben - in ihrer heutigen Form - KEINEN Sinn haben.
Zum einen deshalb, weil es hanebüchen ist, dass zwar FSK 12-Filme im Kino ab 6 Jahren in Elternbegleitung gesehen werden dürfen, dann aber eine ellenlange Lücke bis 16 besteht. Da fehlt jegliche Progression.
Zum anderen deshalb, weil eben gerade der reale Medienkonsum dieser Altersgruppe doch belegt, dass diese "Inhalte" überwiegend zu keinen nennenswerten Entwicklungsbeeinträchtigungen führen.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: insbesondere Schüler, die einen starken Fokus auf den Film- und Serienkonsum legen, fallen eben NICHT negativ durch Gewalt oder Motivationslosigkeit auf sondern gehören zu den freundlichsten, hilfsbereitesten, geistig gefestigsten und eifrigsten Schülern. Die größten Probleme verursachen antriebslose Kids ohne solch ein klar strukturiertes Hobby.
Reale Probleme verursachen Spielesucht (unabhängig von der Freigabe!) und vorallem You Tube-Zappen ohne Fokus im Verbund mit Reizüberflutung durch allgegenwärtige Smartphones. DAS führt aufgrund fehlender Konzentration auf einen Gegenstand zu Konzentrationsstörungen, Übermüdung und Motivationslosigkeit. Vergleichbares konnte ich unter den dezidierten Film- und TV-Geeks nicht im geringsten feststellen, auch wenn diese bereits sehr früh mit 16er und 18er-Filmen aufwuchsen.
Mag sein, dass es extreme Einzelfälle gibt, bei denen Verstörung, Verrühung und Nachahmungstendenzen auftreten, für den überwiegenden Teil dieser Alterskohorte gilt das nicht.
Und bei den Fällen, die ohnehin zu Problemen neigen, weil sie vernachlässigt werden oder selbst mit realer Gewalt in der Familie oder dem Umfeld aufwachsen, nützen FSK-Freigaben absolut nichts, da diese zuhause nur von den Eltern überwacht werden können.
Benachteiligt werden lediglich gut erzogene Filmfans, die mit ihren Eltern aktuelle 16er-Filme im Kino sehen wollen sowie das Kino als Medium an sich, das mehr und mehr hinter der digitalen Konkurrenz zurückfällt, insbesondere in Deutschland.
Außerdem vertrete ich die These, dass hohe FSK-Freigaben trotz ihrer weitgehenden Wirkungslosigkeit lediglich eine moralische Verunglimpfung darstellen, insbesondere deshalb, weil weitaus bedenklichere entwicklungsrelevante Aspekte entweder deutlich niedriger angesetzt werden (Sex, Religionsfreiheit, Strafmündigkeit, Alkohol in Elternbegleitung ab 14) oder gar keine Altersbeschränkung besitzen (Smartphones, Süßigkeiten, Fast Food, Energy Drinks, Tattoos uvm.) In so vielen Bereichen wird die Eltern- und Eigenverantwortung betont und herausgefordert, obwohl die Risiken gleichwertig oder höher liegen. Nur bei Filmen und TV-Serien findet dieser entmündigende Zirkus statt, der komplett an der Realität vorbeigeht!
Und dass geschichtliche Filme gegenüber Genreproduktionen bevorzugt werden finde ich ebenfalls unerträglich. Entweder es gibt objektive Kriterien für Jugendbeeinträchtugung oder nicht. Wenn diese für Filme über die Kreuzzüge oder die Nazi-Zeit hintangestellt werden ist das ein weiterer Beleg dafür, dass es keine objektivierbaren Aspekte gibt. Babylon Berlin ab 12, Star Trek Discovery und Rick & Morty ab 16!?! Geht's noch?